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Onkel Robinson

Onkel Robinson

Titel: Onkel Robinson Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jule Verne
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meine jungen Herren«, rief Flip. »Sind diese Reffs nicht eine herrliche Erfindung? Sehen Sie nur, wie flott wir jetzt vorwärtskommen! Was kann man denn mehr verlangen, sagen Sie nur einmal?«
    Die Küste rückte indes immer näher. Von den Böen ließen sich Landvögel treiben. Schwalben und Möwen tummelten sich um das Boot und stießen dabei gellende Schreie aus. Dann trug sie ein Windstoß wieder davon.
    Die Küste sah alles andere als einladend aus. Das Land machte einen trockenen, wilden Eindruck. Kein Baum, kein Grün lockerte das rauhe Erscheinungsbild auf. Dieses Stück Erde schien nur aus hohen Granitfelsen zu bestehen, an die tosend die Brandung schlug. Bestimmt waren diese großen, zerklüfteten Felswände völlig unzugänglich. Flip fragte sich, wie an diesem verschlossenen Ufer, dieser lückenlosen Granitkurtine 1 , wohl ein Boot landen sollte. Eine Meile südwärts ragte ein Kap empor und versperrte die Sicht auf den dahinter liegenden Landesteil. Ob es sich also um Festland oder um eine Insel handelte, ließ sich noch nicht sagen. In der Ferne thronte auf einem spitzen Berggipfel eine Schneehaube. Den schwärzlichen, krampfartig gewundenen Felsen und den braunen Längsstreifen, von denen der Berg durchzogen war, hätte ein Geologe angesehen, daß das Land vulkanischen Ursprungs sein mußte und seine Entstehung auf plutonische 2 Vorgänge zurückzuführen war. Flip aber hatte andere Sorgen; ihm ging es allein darum, in dieser riesigen Mauer irgendeine Bucht, eine Öffnung, ein Loch zu finden, um sein Boot an Land zu setzen.
    Mrs. Clifton hob den Kopf. Sie sah auf dieses abweisende Stück Erde, über dessen Beschaffenheit sie sich keine Illusionen machen konnte. Dann sandte sie einen sehnsüchtig fragenden Blick hinüber zu Flip.
    »Schöne Küste! Schöne Küste!« murmelte der Seemann. »Schöne Felsen! Aus solchen Steinen macht die Natur ihre Grotten! Was glauben Sie, wie gemütlich wir es haben, wenn wir erst einmal in so einer Höhle um ein Holzfeuerchen sitzen und uns dann ins weiche Moos legen können!«
    »Aber werden wir diese Küste überhaupt erreichen?« fragte Mrs. Clifton und sah verzweifelt auf das entfesselte Meer, das um sie herum tobte.
    »Wie bitte? Na, und ob wir sie erreichen!« erwiderte Flip und wich geschickt einer großen Welle aus. »Sehen Sie doch nur, wie schnell wir dahinfahren! Bald haben wir Rückenwind, und dann landen wir an diesen Felsen da. Ich bin mir sicher, daß wir einen kleinen natürlichen Hafen finden, in dem wir unser Boot unterbringen. Ach, dieses herrliche Boot! Bei jeder Welle steigt es hoch wie eine Möwe!«
    Flip hatte noch gar nicht fertiggesprochen, als eine gewaltige Sturzsee über das Boot hereinbrach und es zu drei Vierteln überschwemmte. Mrs. Clifton stieß einen Schrei aus. Die beiden aus dem Schlaf geschreckten kleinen Kinder klammerten sich an sie. Die beiden Großen hatten sich an der Sitzbank festgehalten und so dem Brecher widerstehen können. Flip warf das Ruder herum und brachte das Boot wieder in die Waagrechte. Zugleich rief er: »Los, Monsieur Marc, los, Monsieur Robert, schöpfen Sie, schöpfen Sie! Das Boot! Schöpfen Sie das Boot leer!«
    Er warf den Jungen seinen Hut aus gekochtem Leder zu, der sich ohne weiteres als Wasserschöpfer verwenden ließ. Marc und Robert machten sich an die Arbeit und hatten bald schon das ganze Boot leergeschöpft.
    Flip ließ es nicht an aufmunternden Worten und Gesten fehlen: »Gut, meine jungen Herren! Sehr gut! Na, ist das nicht eine tolle Erfindung, so ein Hut? Ein richtiger Kochtopf ist das. Man könnte sich sein Süppchen darin zubereiten!«
    Von seiner Last befreit, schoß das Boot wieder auf den Wellenkämmen dahin, die sich nun in der gleichen Richtung fortbewegten, da der Wind entschieden nach West gedreht hatte. So heftig blies er aber nun, daß Flip fast das ganze Segel einholen und das Halsentau anziehen mußte. Es war jetzt nur noch ein ganz kleines Segeldreieck gesetzt, das aber genügte, um das Boot über die Wellen eilen zu lassen.
    Die Küste kam daher rasch näher, und bald waren alle Einzelheiten deutlich zu erkennen.
    »Der gute Wind! Der gute Wind!« rief Flip, der aufpaßte, daß nicht von hinten eine Woge über ihnen zusammenschlug. »Wie passend er sich gedreht hat! Ein wenig stark bläst er ja schon! Aber da dürfen wir ihm nicht böse sein!«
    Um halb fünf Uhr war die Küste nur noch eine Seemeile entfernt. Das Boot schien sich geradezu auf sie stürzen zu wollen. Jeden

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