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Oliviane – Der Saphir der Göttin

Oliviane – Der Saphir der Göttin

Titel: Oliviane – Der Saphir der Göttin
Autoren: Marie Cordonnier
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trotziger.
    Sie mochte auf dem Weg sein, den übelsten Mordbrenner ihrer Heimat zu ehelichen, aber sie wollte nicht, dass man ihr Schwäche nachsagte. Dass sie bitteren Ekel und lähmende Angst empfand, musste ihr Geheimnis bleiben. Wen kümmerte es schon, was eine Frau empfand!
    Der Reiter an ihrer Seite war wider Willen fasziniert von der reglosen Maske ihres vollkommenen Antlitzes. Eine pochende bläuliche Ader an ihrer Schläfe verriet, dass sie längst nicht so gelassen war, wie sie sich gab. Aber die kühle Arroganz, mit der sie die Tatsachen akzeptierte, erboste und rührte ihn zugleich.
    Dieses Mädchen war anders als alle anderen weiblichen Wesen, die er bisher kennen gelernt hatte.
    Die Torwache von Vannes wagte es nicht, die Reiter nach Papieren und Passierscheinen zu fragen. Der Anblick der schwer bewaffneten Männer sprach für sich. Oliviane hatte eben noch Zeit, die Kapuze des Umhanges ganz über ihre Haube zu ziehen und ihren Sitz im Damensattel zu überprüfen, dann stob die Schar der Reiter in Richtung Westen – landeinwärts, so dass Oliviane nicht einmal mehr der tröstende Blick auf das Meer blieb.
    Unwillkürlich erinnerte sie sich an den Ritt, der sie vor nicht allzu langer Zeit heim nach Vannes geführt hatte. Sie hatte es für ein kleines Wunder der heiligen Anna gehalten, dass sie im Morgengrauen am Waldrand ein herrenloses Pferd gefunden hatte, dessen blutüberströmte Flanke verraten hatte, dass es in Panik vom Schlachtfeld geflohen sein musste. Sie hatte sich nicht darum gekümmert, ob es irgendwo einen Herrn dafür gab, sondern sich ohne viel Federlesens in den ungewohnten Männersattel gezogen.
    Immerhin hatte sie genügend Verstand besessen, das Tier in den Wald zu dirigieren und Auray in weitem Bogen zu umgehen. Die wenigen Menschen, denen sie begegnet war, waren ihr ausgewichen, denn das Mädchen im Novizenkleid auf dem Rücken des mächtigen Schlachtrosses war den meisten wie eine gespenstische Erscheinung vorgekommen, die nichts mit der Wirklichkeit zu tun hatte.
    Das Ufer des ›Kleinen Meeres‹ hatte ihr den Weg nach Vannes gewiesen, und das Pferd war in den leeren Ställen ihres Großvaters verschwunden.
    Oliviane blinzelte gegen den Wind. Sie würde nicht weinen – sie weinte nie. Man hatte ihr das Weinen in Sainte Anne ausgetrieben. Eine Rospordon ging erhobenen Hauptes in ihre Schlachten!
    »Wir werden hier lagern!«
    Eine Hand griff in ihre Zügel, und der Zelter gehorchte, ohne dass Oliviane ihm den Befehl dazu gegeben hatte. Sie starrte auf die Männerfaust im Lederhandschuh, und ein Schauer lief ihr über den Rücken. Sie hatte keine Ahnung, wo sie sich befanden; die anfangs freie und übersichtliche Straße wand sich nun zwischen hohen Kiefern und Eichen hindurch, und am rasselnden Atem der Pferde merkte sie, dass es höchste Zeit wurde, die Tiere an einem Bach oder einem Brunnen zu tränken.
    Ihr Pferd trottete hinter den anderen her auf eine Lichtung, an deren Rand ein kleiner Bach rauschte. Oliviane hob das Knie über das Sattelhorn und rutschte steif zu Boden. Sie hatte keine Ahnung, wie lange sie geritten waren, aber ihre Beine schienen in dieser Zeit verlernt zu haben, sie zu tragen. Schwankend tastete sie nach einem Halt und fand sich von einem Arm gestützt, der ihre Taille umspannte, damit sie nicht fiel.
    Von dem Griff ging eine so verblüffende Mischung aus Schutz und Wärme aus, dass sie im ersten Moment gar nicht auf den Gedanken kam, sich aus ihm zu befreien. Ein paar Herzschläge lang nahm sie dankbar die Hilfe an, die ihr geboten wurde. Sie war es nicht gewohnt, in so mörderischem Tempo zu reiten, aber sie hatte sich jeden Protest verboten. Sie forderte von niemandem Rücksicht.
    Während sich ihre verkrampften Muskeln wieder dehnten, erkundete sie mit geschärften Sinnen die Welt um sich herum. Sie nahm den herben Hauch des winterlichen Waldes nach getrockneten Blättern und Verwesung wahr, die dampfenden Pferde, die zum Wasser drängten, das Knirschen und Klirren der Sättel und den Geruch des Mannes – das Aroma von Schweiß und Kräutern, von Leder und Pferd, das so untrennbar zu ihm gehörte wie die verborgene Stärke seines kraftstrotzenden Körpers.
    »Der Ritt hat Euch erschöpft, kleine Dame«, drang sein Bretonisch an ihr Ohr, und plötzlich klang es sanft und melodisch. »Warum habt Ihr nicht längst um eine Rast gebeten?«
    Wie kam er dazu, sie ›kleine Dame‹ zu nennen? Sie überragte die meisten Frauen und einen Teil der Männer!
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