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Olivers Versuchung

Olivers Versuchung

Titel: Olivers Versuchung
Autoren: Tina Folsom
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seine Kollegen, wenn er nicht einmal die Kontrolle über seine eigenen Triebe hatte? Wie konnte er einen Feind besiegen, wenn er nicht einmal den Dämon in seinem Inneren überwältigen konnte?
    Angewidert von sich selbst, wandte sich Oliver am Fuße der Treppe um und warf einen langen Blick den Korridor hinunter, der zur Küche führte. Dort wartete eine Speisekammer voll mit in Flaschen abgefülltem Blut auf ihn. Jede erdenkliche Blutgruppe war dort gelagert, auch die, die unter den Vampiren wegen ihrer außerordentlichen Süße am meisten geschätzt wurde: 0-negativ. Es wäre so einfach, in die Küche zu gehen, die Speisekammer zu öffnen und eine der Flaschen mit dem gespendeten Blut zu nehmen, die Scanguards über eine medizinische Scheinfirma bestellte, die Samson vor Jahren gegründet hatte. Es wäre so einfach, den Deckel aufzuschrauben und einen Schluck zu trinken. Doch selbst die Aussicht, sich mit der leckersten Blutgruppe vollzuschlagen, unterdrückte nicht den Drang zu jagen.
    Er würde lieber seine Fangzähne in den Hals eines Obdachlosen senken und das Blut trinken, das so widerlich schmeckte, wie der Mann roch. Denn es ging ihm nicht um den Geschmack des Blutes, es ging darum, was die Tat bei ihm bewirkte. Blut, das direkt aus der Vene eines Menschen kam, war noch voll von dessen Lebenskraft und war deshalb letztendlich viel stärker. Und es machte ihn stärker, mächtiger und unbesiegbar. Er hatte sich in seinem ganzen Leben noch nie besser gefühlt als nach dem Trinken von einem lebendigen Menschen. Es war wie eine Droge für ihn, die ihm ein unglaubliches Hochgefühl verschaffte, das er noch nie zuvor erlebt hatte, nicht einmal als er noch ein Mensch gewesen war und mit Drogen experimentiert hatte. Blut, das direkt aus der Vene eines Menschen kam, war jetzt seine Droge. Eine gefährliche Droge, von der er fernbleiben sollte.
    Er kannte die Gefahren von Drogen nur zu gut: Als Mensch war er schon einmal auf die schiefe Bahn geraten, aber dank Samson hatte er den Weg aus der Hölle gefunden und war wieder auf den rechten Weg zurückgekehrt. Er hatte die Dämonen schon einmal besiegt. Und er war entschlossen, es wieder zu tun. Aber es schien, als ob es diesmal schwieriger werden würde.
    Es schien unmöglich zu sein, auf die Empfindungen zu verzichten, die durch seinen Körper jagten, wenn er direkt von einem Menschen trank. War das nicht genau das, was es bedeutete, ein Vampir zu sein? Schließlich musste er Blut trinken, um zu überleben. Generationen von Vampiren vor ihm hatten das Gleiche getan. Hatten auch sie jede Nacht mit sich selbst gekämpft, bevor sie ausgingen, um frischem Blut nachzujagen?
    Es gab immer noch viele Vampire, die sich Nacht für Nacht von Menschen ernährten. Die meisten der Vampire, die für Scanguards arbeiteten, schienen eine Ausnahme zu sein. Aber musste das wirklich bedeuten, dass es falsch war, dass er etwas anderes wollte?
    „Gott, warum nur?“, fluchte er leise vor sich hin, und wusste gleichzeitig, dass er für heute den Kampf verloren hatte.
    Er ging zur Eingangstür, als er Schritte aus dem Wohnzimmer hörte.
    „Gehst du aus?“ Blakes Stimme schnitt durch die Stille im Haus.
    Oliver drehte sich nicht um, als Blake in den Flur trat, denn er wusste, dass seine Augen schon rot waren. Ein eindeutiger Hinweis darauf, dass er nahe daran war, die Kontrolle zu verlieren. Er war nicht in der Stimmung, sich mit seinem sogenannten Halbbruder auseinanderzusetzen.
    „Was geht dich das an?“
    „Schau mich an!“, befahl Blake.
    „Bilde dir ja nicht ein, dass du plötzlich mein Aufpasser bist, nur weil Quinn und Rose dich gebeten haben, ein Auge auf mich zu haben.“ Die beiden Turteltauben waren für eine verspätete Hochzeitsreise zu Quinns altem Schloss in England gereist, aber leider hatten sie dafür gesorgt, dass Blake zuhause blieb.
    „Ich bin nicht blind, Oliver. Ich kann sehen, was hier vor sich geht.“
    Oliver machte einen weiteren Schritt in Richtung Tür. „Misch dich nicht in Dinge ein, die du nicht verstehst!“
    „Du glaubst, ich verstehe dich nicht? Verdammt noch mal, ich bin schon lange genug in der Gesellschaft von Vampiren, um zu wissen, was hier vor sich geht.“
    Er spürte, wie Blake sich näherte und spannte sich an. Eine Sekunde später legte sein Halbbruder die Hand auf seine Schulter. Oliver wirbelte herum und schleuderte ihn im Bruchteil einer Sekunde gegen die Wand, wo er ihn festhielt.
    „Du denkst wirklich, dass du plötzlich ein Experte
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