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Okarina: Roman (German Edition)

Okarina: Roman (German Edition)

Titel: Okarina: Roman (German Edition)
Autoren: Hermann Kant
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die Leiste, die jeglichen Besucher bewogen, Platz zu nehmen und dem Raum eine Wärme zu entziehen, die diesem und nicht jenem zugedacht war.
    So jüngst erst ein fränkischfröhliches Ehepaar, das an meinen mecklenburgischen Kacheln saß und abtauend die Ofenwärme zweckentfremdete. Wozu es mich wissen ließ, wir in fernem Ost und hohem Nord hätten es gut, weil wir noch Töpferöfen und Deutsche Alleenstraßen und gutnachbarliche Herzen kennten. Der Herr Tucholsky sei ja auch von hier, wie schon der Name sage. Sie stünden im Begriff, seine Wanderungen durch die Mark Brandenburg nachzuvollziehen. – Da bald Weihnachten war, unterließ ich alle Korrektur und empfahl dem Doppel, auf seinem Wege durch die Wälder, durch die Auen bei Engelbert Humperdinck vorbeizuschauen, der in der fußmarschnahen Hänsel-und-Gretel-Stadt Neustrelitz verstorben sei.
    Zum Dank, und weil es irgendwie zum Ostischen paßte und überdies von Freisinn zeugte, erzählten sie auf meiner Ofenbank einen alten jüdischen Witz. Nur wurden sie sich ganz nach Tucholsky-Vorschrift nicht einig, ob der Rabbi zum ratsuchenden, weil entsetzlich beengt wohnenden Moishe zuerst Nimm herein den Schrank! oder Nimm herein die Ziege! gesagt habe. Als sie einmal aufbrachen, hinaus aus der zu großen Stube, hinein in die großartig östlichwilde Welt, trugen sie in den Rückenpartien ihrer modisch lodischen Gewänder einen beträchtlichen Teil der Tagesleistung meiner Heizung davon.
    Nach mehreren Begebnissen dieser Art begann mir eine schöpferische Phase. Herkömmlich zunächst erwog ich einen Wechsel der Ofensysteme. Fort von Siemens und meiner nicht mehr finanzierbaren Liebe zur Elektrizität, hin zu RockefellersÖlen oder gar zum Gase wollte ich mich wenden. Einem Stoff, zu dem ich weder Erfinder- noch Verwerternamen wußte. Das änderte sich, weil die Suche nach Energiequellen mich im getreuen Lexikon an solche der Bildung führte. So daß ich seither zum Brennpionier Bunsen auch verdiente Flammenforscher wie Bunte und Oechelhäuser kenne und bei deren Studium erfuhr, daß als Ur-Gasmann ein gewisser Johannes J. Becher – so geschrieben – im alten Brockhaus steht: »Ein Deutscher … der erste, der aus Steinkohlen den Teer und das brennbare Gas gezogen hat.«
    Wäre mir nicht um die Bewohnbarkeit meiner Hütte zu tun gewesen, hätte ich länger über dem Band gesessen, der mich über mich als Deutschen hinaus als Ostdeutschen wissen ließ, die erste gasbeleuchtete Straße unseres damals noch unheilig zerrissenen Vaterlandes habe durch das sächsische Freiberg geführt. Noch vor Frankfurt am westlichen Main wurde Dresden an der östlichen Elbe gaslichterhellt. Leipzig im Osten leuchtete acht Jahre früher als des Westens Karlsruhe. Und die allererste aller deutschen Gasgesellschaften war die Allgemeine Deutsche Gasgesellschaft zu Magdeburg im preußischen Sachsen.
    Inmitten so völkischen Gewölks rief mir meine Binnenaufsicht zu, obwohl aus kalendarischen Gründen nicht in meiner Ausgabe vermerkt, habe unseren deutschen Stämmen auch niemand einen ganz bestimmten und überaus besonderen Gasgebrauch vor- oder nachgemacht. Zum Glück kam mir zu erwidern ein, es sei mir dies von einigen Lokalterminen her bekannt und werde mir nie entfallen. Aber nicht vom Gase, das andere zu Tode würgen, sondern einem, das, pardon, mich erwärmen sollte, sei die Rede. Weder mordsspezifisch noch luftförmig allgemein gehe es hier zu; ganz entgegen der fälschlich behaupteten Herkunft des Wortes Gas aus dem Wort chaos liege eine Ordnung vor, die Erzählung heiße. Da möge man mit Wahrheiten von so erdrückender Kraft nicht weiter stören und mir Fortsetzung erlauben.
    Hinsichtlich derer ich statt in älterer Geschichte zu verharren auf meiner jüngsten bestehe. In welcher nach dem Wasserhahn von einem harmlosen Herd die Rede ist. Vom Ofen, demes mit Ach und Krach gelang, den gasförmigen Körper aus kalter Winterluft in meiner Stube, dessen Teilchen laut Wissenschaft gegeneinander verschiebbar sind, gerade so zu erwärmen, daß meines Körpers Verschiebung ins Glaciale knapp entfiel.
    Mit anderen Worten: Ich fror mir den Arsch ab und brach ihn mir ökonomisch dazu. So erwog ich eine Gasheizung. Als ich aber deren Preis und meinen Kontostand in die Waage zu bringen suchte, habe ich letzteren für zu leicht befunden. Eine Gasheizung hätte mir das monetäre Kreuz geschmolzen. Eine Ölheizung auch. Fernheizung wäre gegangen, doch versorgt dieses System in unserer Gegend nur
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