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Oh Happy Dates

Oh Happy Dates

Titel: Oh Happy Dates
Autoren: Holmes Lucy Anne
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Fernseher, »Simon Cowell hat ihr gerade erklärt, sie sei fett und könne nicht singen, und dabei ist ihre Mum krank!« Ich liege im Pyjama im Bett und schaue mir The X Factor an. Ich sehe sicherlich schrecklich aus. Seit ich The X Factor eingeschaltet habe, heule ich. Jetzt ist die Sendung fast zu Ende.
    »Was ist mit deinen Zähnen passiert?«, erkundigt er sich und beugt sich zu einer genaueren Untersuchung über mich.
    »Vermutlich sind sie schwarz vom Rotwein«, schnaufe ich. Wenn ich erst mal angefangen habe zu weinen, kann ich nicht so leicht wieder aufhören.
    »Wir gehen aus«, flüstert er.
    Ruth, Simons Freundin, steckt ihren Kopf in mein Zimmer. Ruth ist etwa so alt wie ich, blond, groß und gebräunt. Hätte sie nicht so eine unheimlich große Nase, sähe sie umwerfend aus. Sie arbeitet in der Innenstadt für eine Firma namens Goldman Sachs. (Simon und ich bezeichnen sie lieber als Goldmans Gags.) Ich mag Ruth, aber zwei Dinge an ihr stören mich. Da ist zum einen ihre Stimme, die schönste, die ich außerhalb des Kinos je gehört
habe. Sie klingt wie Julie Andrews in Mary Poppins . Eine Stimme, wie sie niemand haben sollte, der im Geldgeschäft arbeitet. Eine Stimme, wie Sarah Sargeant, die aufstrebende Schauspielerin, sie haben sollte. Außerdem stört mich an ihr, dass sie wahnsinnig gut versorgt ist. Sie besitzt eine Eigentumswohnung und ein Aktienpaket. Ich muss mich mit dem Gedanken trösten, dass sie auf die Schnauze fällt, wenn der Markt zusammenkracht. Ich vermute ja, dass in ihrem Kopf alles in ordentlich beschrifteten Tupperdosen sortiert ist. In meinem hingegen befindet sich nur ein Haufen Mus. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie sich in ihrem ganzen Leben nicht ein einziges Mal The X Factor angeschaut hat.
    »Hi, Sarah«, trällert sie, bei meinem Anblick bleibt ihr jedoch der Mund offen stehen.
    »Es ist The X Factor , da werde ich immer sentimental«, erkläre ich ihr.
    »Aha«, sagt sie verunsichert.
    »Bist du dir sicher, dass du dich nicht wegen … du weißt schon aufregst?«
    »Si, mir geht es gut«, versichere ich ihm, wobei ich versuche, mein Schluchzen zu unterdrücken und gleichzeitig zu lächeln. Diese Anstrengung bringt einen hohen wimmernden Laut hervor, wie ich ihn seit meinem letzten Versuch, Geige spielen zu lernen, nicht mehr gehört habe. Simon steht vor mir und weiß nicht genau, wie er darauf reagieren soll.
    »Ach, komm«, murmelt er und nimmt mich in den Arm. Ich fühle mich wunderbar und warm wie ein Cocktailwürstchen im Speckmantel.
    »Simon, das Taxi ist da«, hüstelt Ruth. Simon lächelt mich an und verlässt die Melodie von »Fifty Ways to Leave Your Lover« summend den Raum.

    Ich klettere aus dem Bett und stelle mich vor meinen großen Spiegel. Abgesehen von meinen schwarzen Zähnen sehe ich unglaublich durchschnittlich aus. Ich habe braunes Haar, die in England am meisten verbreitete Haarfarbe. Ich habe blaue Augen, die in England am meisten verbreitete Augenfarbe. Ich bin eins dreiundsechzig groß, die Durchschnittsgröße englischer Frauen. Ich habe eine birnenförmige Figur und trage Größe achtunddreißig, die häufigste Kleidergröße. Ich heiße Sarah, der beliebteste Mädchenname in meinem Jahrgang. Die Frau meines Onkels heißt Sarah. Es gibt in meiner Familie sogar zwei Sarah Sargeants. Ich bin ein Massenprodukt.
    Binnen einer Woche habe ich einen Mann gebeten, mit mir auszugehen, und wurde abgewiesen, ich habe für ein Shakespearestück vorgesprochen und wurde abgewiesen, ich kam für eine Show im Reality-TV in die engere Wahl und wurde abgewiesen. Ich fühle mich wie betäubt. Ehe ich den Glatzenmann aus dem Pub fragte, ob er mit mir ausgehen wolle, hatte ich mich der Fantasie hingegeben, er werde Ja sagen und wir würden ausgehen, eine schöne Zeit haben, dann heiraten und wunderschöne Babys bekommen. Aber er hat nicht Ja gesagt, er hat Nein gesagt. Als ich auf das Ergebnis meines Vorsprechens wartete, hatte ich mir vorgestellt, den Job zu bekommen, nach Stratford zu gehen, Teil einer wunderbaren Produktion zu sein, entdeckt zu werden und eine Blitzkarriere als Superstar zu machen. Aber ich bekam den Job nicht. Und als ich dann darauf wartete, von der Realityshow zu hören, kam mir dieser wunderbare Gedanke, ich würde jemand Netten und Lustigen und Freundlichen kennenlernen. Aber man hat mich nicht genommen. Jetzt droht das Leben einer ledigen Kellnerin. Ich komme mir vor, als hätte mir jemand all meine Tagträume geklaut.

    Als ich aus
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