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Offene Geheimnisse und andere Enthuellungen

Titel: Offene Geheimnisse und andere Enthuellungen
Autoren: Amelie Fried
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wieder in Weihnachtsstimmung gebracht werden. Konjunkturschwäche hin, Weihnachtsgeschäft her, das ist doch eine Zumutung!
    Das war just der Moment, in dem ich beschloss, in den Weihnachtsstreik zu treten.
    Ich würde das Ereignis schlicht ignorieren und mich allem verweigern, was mich an Weihnachten und der Zeit davor schon immer genervt hat: kitschige, ewig nadelnde Adventskränze, Strohstern-Basteln, Plätzchenbacken, Weihnachtskarten mit belanglosen Botschaften verschicken, mit allen Leuten, die man kennt, »unbedingt vor Weihnachten« noch eine Verabredung treffen, als stünde die Apokalypse bevor und es gäbe kein Danach.
    Vor allem aber würde ich mich dem Geschenkestress verweigern, restlos und radikal.
    Haben wir nicht sowieso von allem schon viel zu viel? Wer braucht denn ernsthaft noch ein Handy, noch ein Computerspiel, noch einen MP3-Player? Sollten wir nicht zur Abwechslung mal wieder einander zuhören, statt unserem elektronischen Spielzeug? Wie viel lieblos ausgewählter Schrott jedes Jahr verschenkt wird, nur weil uns von der Werbung eingeredet wird, wir seien schlechte Partner, Eltern, Kinder oder Freunde, wenn wir nicht jeden in unserer Umgebung beschenken, bis die EC-Karte ächzt? »Unsere Lieben« warten auf Geschenke, »leuchtende Kinderaugen« werden uns danken, »frohe Gesichter« und »besinnliche Tage« erwarten uns, sofern wir nur genügend Geld in die Geschäfte tragen, koste es, was es wolle.
    Mal abgesehen davon, dass viele Familien das gar nicht können – mit Besinnlichkeit hat das alles doch längst nichts mehr zu tun. Weiß eigentlich noch irgendwer, worum es bei Weihnachten mal ging? Ach ja, irgendwo im Orient wurde ein Kindlein geboren, das bedauerlicherweise in einer strohgefüllten Krippe liegen musste, anstatt in einer ordentlichen Wiege, und eine niedliche Erstausstattung und genügend Plastikspielzeug bekam das arme Ding auch nicht geschenkt. Kein Wunder, dass es ein böses Ende mit ihm nahm, so viel Konsumverweigerung kann uns ja nun nicht als Vorbild dienen. Das Credo des modernen Menschen lautet schließlich nicht mehr »Ich glaube«, sondern »Ich kaufe«.
    Aber nicht mehr mit mir.
    Ich teilte also den Erwachsenen in meiner Umgebung mit, dass ich zu Weihnachten keine Geschenke wollte und keine machen würde, ich erklärte meinen Patenkindern, dass sie dieses Jahr von mir nichts bekämen, und meinen Kindern, dass sie genau einen Wunsch frei hätten. Allen gemeinsam erklärte ich aber auch, was ich mit dem gesparten Geld tun würde: es in ihrem Namen der Kinderhilfsorganisation »Children for a better world« spenden. Da kommt jeder Cent Kindern zugute, die von Handys oder Computerspielen nicht mal träumen können, sondern froh sind, wenn sie jeden Tag etwas zu essen kriegen und zur Schule gehen können.
    Ich kann nicht sagen, dass es leicht war, meinen Weihnachtsstreik durchzuhalten. Irgendwie kam doch ein Adventskranz ins Haus, und irgendwann ließ ich mich doch breitschlagen, ein paar Plätzchen zu backen.
    Das Strohstern-Basteln haben meine Kinder mir gnädig erlassen, und auf Geschenke zu verzichten, um armen Kindern zu helfen, fiel ihnen erstaunlich leicht. Das Schwierigste war, ihnen klar zu machen, dass ich nicht beschenkt werden wollte. Wir einigten uns darauf, dass sie mir nur Geschenke machen würden, die kein Geld gekostet hätten. Sondern Zeit, Phantasie und Liebe. Das, was uns allen verloren gegangen ist und das wir zu Weihnachten viel dringender brauchen als ein neues Handy, noch ein Computerspiel oder einen MP3-Player.
    Das Weihnachtsfest wurde dann übrigens sehr schön; ruhig und besinnlich. Wir machten einen Schneespaziergang, zündeten Kerzen an für verstorbene Verwandte, machten Musik und sangen Weihnachtslieder. Wir nahmen uns Zeit für die wenigen Geschenke und freuten uns, dass wir zusammen waren.
    Vielleicht streike ich dieses Jahr wieder. Wie wär’s mit Ihnen?

Was wirklich zählt
    Ein neues Jahr. Immer ein guter Anlass, sich ein paar Gedanken zu machen. Darüber, ob man eigentlich so lebt, wie man es sich wünscht, oder ob sich was ändern sollte. Und wenn ja, was. Erstaunlich viele Menschen sind mit ihrem Leben nicht wirklich zufrieden, träumen von einem besseren Beruf, einem aufregenderen Partner, einem schöneren Wohnort – kurz: einem ganz anderen Leben. Ohne allerdings je ernsthaft darüber nachzudenken, was das für Konsequenzen hätte.
    So staune ich immer darüber, wie viele Menschen auf die Frage: »Wie geht’s?« antworten: »Gut,
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