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Offene Geheimnisse und andere Enthuellungen

Titel: Offene Geheimnisse und andere Enthuellungen
Autoren: Amelie Fried
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rausgekommen ist. All das erlebt man womöglich immer wieder, und trotzdem: Menschen, die einen erwartungsvoll anstarren, ein Mikrofon, womöglich noch eine Kamera, schon setzt der Fluchtreflex ein, und man möchte am liebsten nur eines: ganz schnell verschwinden.
    Bei mir hat es schon in der Kindheit angefangen: Auftritte mit dem Chor, Ballettdarbietungen, Gedichtvorträge – alles verursachte mir Albträume. Jedes Referat im Studium wurde zur Mutprobe, und ich beneidete jene sorglosen Typen, die sich einfach hinstellen und drauflosreden, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist. Die keine Spur nervös wirken, sondern den Eindruck vermitteln, es mache ihnen sogar Spaß.
    Nein, Spaß hat es mir noch nie gemacht, aber nach jedem öffentlichen Auftritt fühle ich mich wie eine Heldin. Ich habe es gewagt! Ich habe es geschafft! Und eigentlich war es gar nicht soooo schlimm. (Jedenfalls kommt es mir hinterher so vor.)
    Dass ausgerechnet ich, die sich schon geniert, im Restaurant aufzustehen und aufs Klo zu gehen (weil mich dabei ja Leute ansehen könnten), beim Fernsehen landete, ist schon ein guter Witz.
    Bei meiner ersten Probesendung klopfte mein Herz so laut, dass ich sicher war, jeder im Raum könnte es hören. Mir war schwindelig, in meinen Ohren rauschte es, ich war kurz vor einer Ohnmacht, und ich habe keine Ahnung mehr, was ich gesagt und getan habe, während die Kamera lief. Als es vorbei war, fühlte ich nur eine riesige Erleichterung, ungefähr so, als wäre ich einem Fluss voller Piranhas lebend entkommen.
    Hinterher sagte man mir, ich hätte ja so ruhig gewirkt, und ob ich denn gar nicht aufgeregt gewesen sei. Aha, dachte ich, das ist ja interessant. Ich bin zwar halb tot vor Lampenfieber, aber offenbar merkt es keiner. Wenn es keiner merkt, ist es nicht so schlimm. Und wenn es nicht so schlimm ist, muss ich mich ja gar nicht so aufregen.
    Und so wurde ich Fernsehmoderatorin. Mehr als einmal war ich kurz davor, einfach wegzulaufen. Neue Situationen oder Themen lassen meinen Adrenalinspiegel steigen. An manchen Tagen ist das Lampenfieber besonders schlimm, und ich weiß nicht mal, warum. Aber nach Hunderten von Sendungen mit Tausenden von Gästen hat sich zumindest die Gewissheit eingestellt, dass ich es irgendwie hinkriegen werde. Manchmal frage ich mich immer noch, warum ich mir das eigentlich antue. Die Antwort ist einfach: weil Ängste dazu da sind, überwunden zu werden. Deshalb mein Rat: Tun Sie doch mal ganz bewusst etwas, wovor Sie Angst haben. Sie ahnen nicht, wie gut Sie sich fühlen werden, wenn Sie es geschafft haben!

Keine Liebe ohne Lüge
    Liebende schwören sich alles Mögliche: sich niemals zu verlassen, einander nicht zu betrügen, sich nie zu belügen. Und natürlich ist jeder, während er schwört, davon überzeugt, sein Versprechen niemals zu brechen. Nichts erscheint einfacher, als dem Menschen, in den man gerade rettungslos verliebt ist, ewige Liebe, Treue und Ehrlichkeit zu schwören!
    In der Praxis erweisen sich diese Vorhaben dann leider als schwierig: Jede dritte Ehe geht – ungeachtet aller Liebesschwüre – auseinander, in jeder zweiten Ehe ist mindestens einer der Partner mal untreu, und ohne kleine Notlügen kommt überhaupt keine Partnerschaft aus.
    Es wird gelogen, um Konflikten aus dem Weg zu gehen, um den anderen nicht zu verletzen, weil man einen Fehler nicht zugeben kann, weil man sich schämt, oder weil man vor dem anderen besonders gut dastehen will.
    Viele Liebeslügen werden aber auch einfach aus dem Wunsch heraus erzählt, den anderen glücklich zu machen. Nehmen wir die Geschichte von den Brötchenhälften: Der Mann mag die untere lieber, die Frau die obere. Beide glauben, dass der andere die gleiche Hälfte bevorzugt wie sie selbst. Also schwindelt der Mann der Frau vor, er möge die obere lieber, und die Frau dem Mann, sie bevorzuge die untere, und beide essen vierzig Jahre lang die Brötchenhälfte, die sie weniger mögen.
    Am häufigsten sind vermutlich die gut gemeinten Bett-Lügen: Frauen, die Männern ihren Orgasmus vorspielen. Männer, die sich jahrelang in der Missionars-stellung abrackern, obwohl sie viel lieber unten liegen würden. Frauen, die die Missionarsstellung über sich ergehen lassen, obwohl sie nur zum Höhepunkt kommen können, wenn sie oben sind. Männer und Frauen, die miteinander schlafen, obwohl sie schon längst keine Lust mehr aufeinander haben. Männer und Frauen, die nicht miteinander schlafen, weil sie glauben, sie seien zu alt, um ihre
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