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Öl!

Titel: Öl!
Autoren: Upton Sinclair
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grässlich, er hob den Kopf, gab einen erstickten Laut von sich.
    «Comes to lovin’ – she’s an oven!» , kreischte die Stimme im Radio.
    «Paul! Was ist?», schrie Ruth.
    « Ain’t it funny – paper money burns right in her hand!»
    Paul sank zurück, er gab auf, und Ruth, die Hände gefaltet, als würde sie zu ihm beten, schien ihm mit ihrer Seele an jenen fernen Ort zu folgen, wohin er nun ging.
    «Flamin’ Mamie, workin’ in a mine, ate a box o’ matches at the age of nine!»
    «Er ist tot! Er ist tot!» Ruth legte eine Hand auf Pauls Herz und fuhr dann mit einem wilden Schrei hoch.
    «Flamin’ Mamie, sure-fire vamp» , wiederholte der Chor, «hottes’ baby in the town!»
    Ruth rannte zum Fenster und warf sich – nein, nicht hinaus, denn Bunny war zu schnell gewesen. Die andern halfen ihm, sie zurückzuhalten, die Krankenschwester kam mit einer Spritze, und ein paar Minuten später lag Ruth auf einer Liege in der Zimmerecke und wirkte so leblos wie ihr Bruder.
    Der Nachbar schaltete zu « Radio RWKY , dem Angel City Patriot » , der aus dem Studio sendete. «Letzte Meldung aus New York: Das Zentralkomitee der Republikanischen Partei ist überzeugt, dass Calvin Coolidge die größte Mehrheit in der amerikanischen Geschichte errungen hat, fast achtzehn Millionen Stimmen. Gute Nacht, liebe Freunde im Radioland.»
    15
    Die Kommunisten wünschten sich ein «rotes Begräbnis», um aus Pauls Tod eine Propagandaveranstaltung zu machen. Doch Eli erhob mit all seiner Würde und Autorität Einspruch: Da Paul sein böses Tun bereut und zu Jesus zurückgefunden habe, solle er nach dem Ritus der Dritten Offenbarung beerdigt werden.
    So schlängelte sich drei Tage später eine kleine Prozession auf eine Anhöhe bei Paradise. Eine Menge Schaulustiger war da und ein Lastwagen mit der nötigen Sendeapparatur, denn mittlerweile durfte keins von Elis kostbaren Worten verloren gehen. Die zweihunderttausend Radio hörenden Hausfrauen in Kalifornien waren über die Zeitungen informiert worden, und hundertneunzigtausend von ihnen unterbrachen ihre Einkäufe, um dieses romantische Begräbnis mitzuverfolgen. Bunny, Rachel und eine Handvoll Rote hielten sich etwas abseits, weil sie wussten, dass sie nicht gern gesehen waren. Ruth stand mit der weinenden Familie am Grab, flankiert von zwei kräftigen Ölarbeitern, ihren Schwägern Andy Bugner und Jerry Black, denn sie war zuletzt ein paarmal gewalttätig geworden – wer wusste, wie sie sich hier verhalten würde? Sie sah bleich und verängstigt aus, schien aber nicht zu begreifen, was das große Loch im Boden oder die lange, schwarze, mit Blumen geschmückte Kiste bedeuteten. Während Eli eine feurige Predigt über den verlorenen Sohn und das verirrte, wiedergefundene Schaf hielt, stand Ruth da und starrte auf die weißen Wolken, die langsam hinter den fernen Gipfeln dahinzogen.
    Ruth sollte ihrer Familie nie mehr Sorgen machen. Sie wollte weiter nichts als über diese Berge streifen und hie und da nach den Schafen rufen, die es nicht mehr gab. Manchmal rief sie auch nach Paul, manchmal nach Bunny, und so ließen sie sie umherwandern, bis sie eines Tages nach Joe Gundha rief. Die Ölarbeiter, die die neuen Bohrtürme aufbauten und die ausgebrannten Bohrlöcher freispülten, um sie wieder in Produktion zu nehmen, waren neu auf dem Ross-Junior-Gelände (das heute übrigens Roscoe-Junior-Gelände heißt, da der Betrieb von einem der vier Roscoe-Söhne geleitet wird). Diese neuen Arbeiter hatten nie von dem Roughneck gehört, der in die Fundbohrung gefallen war, deshalb schenkten sie dem unglücklichen Mädchen, das umherwanderte und seinen Namen rief, keine Beachtung.
    Erst spät am Abend, als Ruth vermisst wurde und die Familie sich auf die Suche machte, erzählte jemand, er habe sie nach Joe Gundha rufen hören. Meelie erinnerte sich sofort; sie ließen einen Haken in die Fundbohrung hinab, die gerade neu abgeteuft werden musste, und förderten ein Stück von Ruths Kleid zutage. Daraufhin ließen sie einen Dreizangengreifer hinunter und brachten auch den Rest von ihr nach oben. Wieder kam Eli, sie begruben sie neben Paul, und Joe Gundha lag nicht weit davon entfernt.
    Man kann die Gräber noch immer sehen; sie sind umgeben von einem Staketenzaun, und der nächstgelegene Bohrturm steht mindestens hundert Fuß weit weg. Eines Tages werden all diese hässlichen Bohrtürme verschwunden sein, aber auch der Zaun und die Gräber. Dann werden andere Mädchen mit nackten braunen Beinen
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