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Öl!

Titel: Öl!
Autoren: Upton Sinclair
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Städtchen zu Städtchen, vertiefen sich in die handschriftlichen Grundbücher der örtlichen Gerichte, suchen Farmer auf und handeln ihnen Pachtverträge ab, wenn sie das Land nicht erwerben können. So plötzlich sich der Boom ankündigt, so schnell breitet sich eine fiebrige Gewinnsucht aus, so viel wie nur möglich aus diesem geologischen Lottogewinn herauszuholen.
    In einer der ersten Szenen des Romans werden der Ölmann J. Arnold Ross und sein Sohn Bunny von einer Versammlung misstrauischer Landeigentümer empfangen, im Haus von Mrs Groarty in Los Robles Nr. 5746 (Sinclair ist in seinen Details stets äußerst präzise). In seiner nur wenige Zeilen umfassenden Beschreibung der Mrs Groarty, wie sie da inmitten ihres Wohnzimmers steht und ihre Gäste erwartet, vor sich auf dem Tisch, für jedermann sichtbar, «ein hübsches, in blaues Leinen gebundenes und mit goldenen Lettern bedrucktes Buch: ‹Leitfaden für Damen. Ein praktisches Handbuch für das vornehme Leben›», wird die genaue Beobachtungsgabe und feine Ironie Upton Sinclairs deutlich. Binnen weniger Minuten füllt sich das Wohnzimmer der Groartys mit all dem Ehrgeiz, zu dem das Viertel sich aufraffen kann. Das wird nicht gut enden, ahnt der Leser, bevor ihm in einem dramatischen Crescendo vorgeführt wird, wie der habgierige Drang dieser lautstark implodierenden Zwistgemeinschaft das höchst lukrative gemeinsame Projekt platzen lässt. Öl, scheint uns Sinclair nachdrücklich in Erinnerung zu rufen, ist leicht entflammbar, und wo es zutage tritt, ergießt es sich ins Feuer menschlicher Maßlosigkeit.
    SCHWERINDUSTRIELLE OLIGARCHIE
    Ein anderes Wort für Maßlosigkeit wäre Industrialisierung: Stahl, Kohle, Eisenbahn, gigantische Motoren einer Umwälzung, die nicht nur die Wirtschaftsmacht des Landes begründete, sondern einen tiefgreifenden sozialen Wandel bedingte. Die Vereinigten Staaten von Amerika, in denen Upton Sinclair am 20. September 1878 zur Welt kam, als Sohn eines Alkoholvertreters, der den eigenen Produkten zu sehr zusprach, und einer Mutter, die aus wohlhabenden Verhältnissen stammte, transformierten sich innerhalb weniger Jahrzehnte von einer Agrar- zu einer Industriewirtschaft. Die Vision einer Gesellschaft von kleinen, weitgehend selbstständigen Erzeugern, wie sie etwa dem Gründungsvater Thomas Jefferson vorgeschwebt hatte, löste sich im Rauch atemlos qualmender Schornsteine auf. Da alles fruchtbare Land längst verteilt war, gab es kaum noch Möglichkeiten, sich ein Auskommen in der Landwirtschaft zu sichern. Die rasche Verstädterung spülte billige Arbeitskräfte nach Detroit oder Cleveland, wo die Prunkbauten der frisch gekrönten Industriekönige, «im Reichtum schwimmende Missetäter», heute noch zu bestaunen sind, auch wenn die Städte darunter leiden, dass die Schwerindustrie inzwischen weitergezogen ist.
    Diese grob skizzierte Entwicklung hatte eine weitgehend dezentralisierte, aus vielen kleinen konkurrenzfähigen Firmen bestehende Wirtschaft in eine von wenigen allmächtigen industriellen Trusts dominierte verwandelt. Personelle Verzahnungen und massive gegenseitige Investitionen führten zu oligarchischen Strukturen, die Lichtjahre entfernt waren von den demokratischen Versprechen der amerikanischen Revolution. Die Ölindustrie wurde von der Standard Oil Company beherrscht, die zwischen 85 und 90 Prozent des US -amerikanischen Ölgeschäfts kontrollierte, gegründet vom legendären John D. Rockefeller, dem es innerhalb weniger Jahre gelungen war, das Unternehmen quasi zum Monopolisten aufzubauen und damit der reichste Mann des Landes zu werden.
    SECHZEHN TONNEN UND KEIN BISSCHEN HOFFNUNG
    Some people say a man is made outta mud
    A poor man’s made outta muscle and blood
    Muscle and blood and skin and bones
    A mind that’s weak and a back that’s strong.
    Ob er den Sozialismus in einem Satz zusammenfassen könne, wurde einmal ein alter roter Kämpe gefragt. Nichts leichter als das, antwortete er, Reichtum und Armut seien zwei Seiten einer Medaille. Mit den Profiten der Trusts wuchs auch das Proletariat; die massenhafte Verelendung der Arbeiter, die jegliche wirtschaftliche Sicherheit verloren (seit Mitte der 1890er stiegen die Preise stetig an, die Löhne blieben aber mehr oder weniger konstant), führte zur Entstehung einer Arbeiterbewegung mit einer Vielzahl radikaler politischer Organisationen. Die wachsende Unzufriedenheit verschaffte den Gewerkschaften Zulauf, die jedes ihrer Ziele hart erkämpfen mussten: das
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