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Öl!

Titel: Öl!
Autoren: Upton Sinclair
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Hut, einem verkrüppelten alten Indianer, der im Gehen vor sich hin mümmelte, und an einem einsamen Cowboy mit «Chaps» 2 . Auf einem weißen Schild stand senkrecht «Café Elite», auf die Fensterscheibe war das Wort «Waffeln» gemalt, und an der Tür hing eine Speisekarte, damit man sehen konnte, was es gab und wie viel es kostete. An der einen Wand standen Tische, an der anderen eine Theke; davor eine Reihe breitrückiger Kerle in Hemdsärmeln und Hosenträgern auf kleinen Hockern. Hier wurde man rascher bedient, deshalb setzten sich Dad und der Junge auf zwei freie Hocker.
    An einem Ort wie diesem war Dad in seinem Element. Es machte ihm Spaß, die Kellnerin zu veräppeln, er kannte allerlei Witze und komische Bezeichnungen fürs Essen. Er bestellte seine Eier «mit der Sonnenseite nach oben» oder «mit offenen Augen, bitte». Er sagte: «Wickel mir das Kind schön ein» und lachte, wenn die Bedienung Mühe hatte zu begreifen, dass er damit ein Spiegelei-Sandwich meinte. Er plauderte mit dem Viehzüchter neben ihm, erfuhr, wie weit der Weizen war und zu welchem Preis sich vermutlich die Orangen- und Walnussernte verkaufen ließ; er war an allen derartigen Themen interessiert, denn er verkaufte Öl an Männer, die davon mehr oder weniger kauften, je nachdem, was sie für ihre eigenen Erzeugnisse bekamen. Auch Dad besaß Land, er war immer bereit, ein vielversprechendes Grundstück «mitzunehmen», denn Öl gab es in ganz Südkalifornien, sagte er, und eines Tages würde hier mal ein richtiges Imperium entstehen.
    Doch jetzt waren sie in Verzug und hatten keine Zeit zum Herumalbern. Dad nahm Kaninchenbraten, aber den wollte Bunny nicht – weniger, weil er sich dann wie ein Kannibale gefühlt hätte, sondern weil er heute Morgen auf der Straße ein plattgefahrenes Kaninchen gesehen hatte. Er wählte Schweinebraten – tote Schweine waren ihm noch nicht untergekommen. Und so kriegte er einen Teller mit zwei Scheiben Fleisch und einer Kugel Kartoffelbrei, die obenauf ein Loch voll klebriger, brauner Bratensauce hatte. Dazu gab es einen Löffel gehackte rote Bete und ein Salatblatt mit Apfelsauce. Die Kellnerin hatte ihm eine extragroße Portion gegeben, weil ihr dieses fröhliche braune Kind mit seinen rosigen Wangen und dem windzerzausten Haar gefiel, empfindsame Lippen wie die eines Mädchens und neugierige braune Augen, die durch den Raum schweiften und alles wahrnahmen, die Schilder an der Wand, die Ketchupflaschen und Kuchenstücke, die dicke lustige Kellnerin und die dünne müde, die ihn bediente. Er heiterte sie auf, indem er ihr von der Verkehrsstreife und der Verfolgungsjagd erzählte. Im Gegenzug verriet sie ihnen, dass es gleich draußen vor der Stadt eine Geschwindigkeitskontrolle gab; der Mann neben Bunny sei erwischt worden und habe zehn Dollar Strafe zahlen müssen. So gab es viel zu besprechen, während Bunny sein Mittagessen und seinen Rosinenkuchen aß und ein Glas Milch trank. Dad gab der Kellnerin einen halben Dollar Trinkgeld, was an einem Tresen unerhört war, ja fast unmoralisch schien, aber sie nahm es an.
    Sie fuhren vorsichtig, bis sie an der Tempofalle vorbei waren, dann legten sie los, auf einer breiten Straße namens Mission Way, an der entlang Pfosten mit Bronzeglocken standen. Die Highways in diesem Land hatten überhaupt allerlei malerische Namen, sie hießen «Am Teufelsgarten», «Am Ende der Welt», «Am Bergquell» oder «Am Eisbach», es gab einen «Cañon der tausend Palmen», einen «Kojotenpass», eine «Hasenfährte» und einen «Fig-Tree-John-Weg» 3 . Eine Telegrafenstraße fand der Junge ganz besonders aufregend, denn er hatte von einer Schlacht im Bürgerkrieg gelesen, in der es um den Besitz einer Telegrafenstraße ging. Während sie dort entlangfuhren, glaubte er zu sehen, wie sich die Infanterie im Gebüsch versteckte und die Kavallerie über die Felder heranstürmte. Er zuckte vor Erregung zusammen, und Dad fragte: «Was ist los?»
    «Nichts, Dad, ich habe nur nachgedacht.» Drolliges Kind! Fantasierte sich immer irgendwelche Sachen zusammen!
    Es gab auch spanische Namen, die von den traditionsbewussten Immobilienmaklern im Land ehrfürchtig hochgehalten wurden. Bunny wusste, was sie bedeuteten, denn er lernte Spanisch, damit er eines Tages mit den mexikanischen Arbeitern verhandeln konnte. «El Camino Real» hieß «Königsweg», «Verdugo Cañon» bedeutete «Scharfrichterschlucht». «Was ist dort passiert, Dad?» Aber Dad wusste es nicht, er war derselben
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