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Öffne die Augen: Thriller (German Edition)

Öffne die Augen: Thriller (German Edition)

Titel: Öffne die Augen: Thriller (German Edition)
Autoren: Franck Thilliez
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Armen und Brust auf. Ich habe es selbst gesehen, verdammt. Wie eine abgeschälte Orange. Das können Sie sich gar nicht vorstellen.«
    Doch, konnte er. Sharko seufzte. Die Sache schien kompliziert. Gut möglich, dass sich dieser Fall zu anderen in Nanterre gesellen würde, die man von Zeit zu Zeit wiederaufnahm und durch den Computer jagte. Er streckte dem jungen Kommissar die Hand hin.
    » Helfen Sie mir runter.«
    Der Polizist gehorchte. Sharko hatte den Eindruck, dass dieser junge Kerl, der noch am Anfang seiner Laufbahn stand, schon zu viel gesehen hatte. Er befand sich in einem Sumpf, aus dem er in einigen Jahren nicht mehr unversehrt herauskommen würde. Alle Polizisten folgten demselben Weg, der sie in einen Abgrund führte, aus dem es kein Zurück mehr gab. Denn dieser Beruf fraß einen mit Haut und Haar auf.
    Poirier ließ los, und Sharko fand sich am Grund der Grube wieder. Mit der Hand klopfte er die Erde von seinem Hemd. Es stank wie im Leichenschauhaus. Hier unten schien die Sonne nicht mehr hin, und die Luft war stickig. Sharko ging in die Hocke und ließ die Erde durch die Finger rieseln. Sie war gesiebt worden, um kein Indiz zu übersehen: kleine Knochen, Knorpel, Insektenlarven. Die Spurensicherung hatte gute Arbeit geleistet. Sharko erhob sich und ließ den Blick über die braunen Erdwälle gleiten. Zwei Meter tief, da musste man schon ganz schön graben, um die Leichen zu verscharren. Gewissenhaftes, methodisches Vorgehen…
    » Mein Chef hat mir von aufgeschnittenen Schädeln erzählt.«
    Poirier beugte sich über den Rand. Der Schweiß tropfte von seiner Stirn in die Grube.
    » Stimmt, hat die Presse auch gleich auf die Titelseite gebracht, eine wahre Sensation. Man spricht von einem Serienkiller und so weiter, glatter Wahnsinn. Die Schädeldecken hat man nicht gefunden. Als hätten sie sich in Luft aufgelöst.«
    » Und die Hirnmasse?«
    » In den Schädeln war nichts mehr– das heißt, doch: Erde. Der Gerichtsmediziner arbeitet noch an der Sache. Offenbar sind Gehirn und Augen das Erste, was sich nach dem Tod zersetzt. Im Moment kann man also nichts sagen.«
    Er streckte die Zunge heraus und goss die letzten Tropfen aus seiner Wasserflasche darauf.
    » Verfluchte Hitze!«
    Nervös zerdrückte der junge Mann die Plastikflasche.
    » Hören Sie, Hauptkommissar, was, wenn wir verschwinden würden? Ich stehe hier schon seit Stunden herum und muss aus der Hitze heraus. Wir können im Wagen weiterdiskutieren, Sie müssen mich ohnehin mitnehmen.«
    Sharko blickte sich ein letztes Mal um. Im Moment gab es sowieso nichts mehr zu sehen oder zu entdecken. Die Fotos vom Tatort, Groß- oder Luftaufnahmen von der Umgebung, sofern vorhanden, würden ihm detaillierte Auskunft geben.
    » Haben die Leichen andere Besonderheiten? Hat man ihnen die Zähne ausgerissen?«
    Kurzes Schweigen. Der junge Beamte nickte verblüfft.
    » Sie haben recht, keine Zähne mehr. Und man hat ihnen auch die Hände abgetrennt. Woher…«
    » Bei allen fünf?«
    » Ich glaube, ja. Ich… Entschuldigung…«
    Er verschwand aus Sharkos Gesichtsfeld. Mit Sicherheit ein anstrengender Tag für ihn. Der Kommissar ging langsam durch den Graben. In der Ferne sah er die beiden Typen vom Fernsehen, die ihn wahrscheinlich filmten. Dann entfernten sie sich diskret zu ihrem Mietwagen. Sharko blieb stehen und sah sich um. Er stellte sich die fünf übereinanderliegenden Leichen vor. Eine von ihnen war stellenweise gehäutet worden. Warum? Eine kleine Sonderbehandlung? Vor oder nach dem Tod? Alle Fragen, die der Fundort aufwarf, kamen ihm in den Sinn. Hatten sich die Opfer gekannt? Hatten sie Umgang mit ihrem Mörder gepflegt? Waren sie zur selben Zeit gestorben? Unter welchen Bedingungen?
    Sharko spürte das erste Prickeln wegen der Ermittlungen, das aufregendste Gefühl. Hier stank es nach Tod, nach dem Benzin der Bulldozer und nach Moder, und er ertappte sich dabei, dass er diese widerwärtigen Gerüche noch immer liebte. Früher hatte er sich mit Adrenalin und Finsternis gedopt. Unzählige Male war er mitten in der Nacht nach Hause gekommen und hatte Suzanne schlafend und verweint auf der Couch zusammengerollt vorgefunden. Er hasste diese vergangene Zeit ebenso, wie er ihr nachtrauerte.
    Etwas weiter weg entdeckte er eine Leiter, über die er problemlos aus der Baugrube heraussteigen konnte. Dreißig Meter entfernt verlief eine Teerstraße. Auf der mussten der oder die Mörder hierhergelangt sein, um die Leichen zu vergraben. Die Kripo von
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