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Ödland - Thriller

Ödland - Thriller

Titel: Ödland - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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tatsächlich noch fertig, sich hübsch zu kleiden und sogar zu schminken. Ihr Boubou sieht sauber aus. Womit mag sie ihn gewaschen haben? Aber so ist sie nun einmal: adrett und kokett in jeder Lebenslage.
    Josephine hat einen leeren 20-Liter-Kanister aus gelbem Plastik in der Hand.
    »Ist heute Wassertag?«
    »Mensch, Fatou, es ist Freitag! Hast du das etwa vergessen?«
    »Warte, ich komme mit.«
    Ein wenig ermutigt bringt Fatou es fertig, aus dem Liegestuhl aufzustehen und sich ins Haus zu schleppen. Idrissa hört sie und stöhnt erneut.
    »Ich gehe Wasser holen«, ruft sie ihm zu. »Vielleicht bekomme ich ja sogar Sulfadoxin.«
    Sie sagt es nur so dahin, um ihn zu trösten, denn natürlich weiß sie ganz genau, dass sie kein Geld hat, um das Medikament zu kaufen. Mehr als ein 100-CFA-Schein ist ihr nicht geblieben, und dafür bekommt sie gerade einmal 10 Liter Wasser, und das auch nur, wenn das Wasser von der Regierung geliefert wird und damit der Preisbindung unterliegt. Mit dem Wasser und dem kümmerlichen Rest eines Sacks Hirse - sie wagt kaum, nachzusehen, wie viel es tatsächlich noch ist - muss sie die ganze Woche auskommen. Und danach wird man weitersehen.
    Fatou windet sich ein staubiges, ausgebleichtes Tuch um den Kopf, steckt den Geldschein in eine Falte, greift nach ihrem alten Benzinkanister mit der Aufschrift Total, der immer noch nach dem Treibstoff riecht, den er in besseren Zeiten einmal enthalten hat, und geht zur Tür, wo Josephine auf sie wartet.
    »Wie geht es deinem Mann?«, erkundigt sich die Nachbarin.
    »So lala«, antwortet Fatou.
    Josephine schnalzt zweideutig mit der Zunge, und die beiden Frauen machen sich unter der brütenden Sonne auf den Weg zum Marktplatz, wo der Tanklastzug erwartet wird.
    Zwar ist Josephine im Gegensatz zu Fatou in Schwatzlaune, doch die Gesprächsthemen gehen ihnen schnell aus. Worüber könnte man sich auch schon unterhalten? Über den Harmattan, der schon seit Tagen weht? Über die vorrückende Wüste? Über die Stadt Kongoussi, die allmählich versandet? Über diejenigen, die in den Süden abwandern, um dort ihr Glück zu versuchen? Oder über die Toten, die vielen, vielen Toten? Tote sehen sie auf ihrem Weg mehr als genug: saubere, von den Geiern blitzblank abgenagte Skelette, einen leprakranken Alten - Lepröse werden von den Geiern verschmäht -, der seinen Handstummel noch immer nach oben streckt, als erwarte er ein Almosen, ein Baby, das erst kurz zuvor im Graben abgelegt worden sein muss und an dem sich bereits der erste Aasgeier zu schaffen macht. Die Frauen achten nicht auf die Leichen; sie sind alltäglich geworden. Die Straßen liegen da wie ausgestorben. Früher wimmelten sie vor Menschen, und es stank nach Autoabgasen. Jetzt ist es der sandige Wind, der den beiden Frauen das Atmen so sehr erschwert, dass sie Mund und Nase mit einem Zipfel ihrer Kopfbedeckung schützen müssen. Sie kommen nur langsam voran. Fatou wird manchmal von einem Schwindelgefühl gepackt und muss sich auf ein Mäuerchen setzen oder auf Josephine stützen, um nicht hinzufallen. Die Freundin macht sich Sorgen um Fatous Gesundheit, doch Fatou entgegnet nur: »Geht schon.« Was hätte sie auch sonst sagen sollen? Was würde es ändern, wenn es nicht ginge?
    Endlich erreichen sie den Marktplatz, der nur mehr aus Reihen leerer, halb zerfallener Verkaufsstände unter toten Bäumen besteht. Hier und da findet man noch ein wenig kümmerliches Gemüse, ein paar runzelige Yamswurzeln, eine Handvoll armseliger Kolanüsse, den ärmlichen Krimskrams von Leuten, die ihre letzte Habe an den Mann zu bringen versuchen; der unverwüstliche Amulettverkäufer verspricht Glück, Liebe und Reichtum, an einem Stand wird das vor Fliegen wimmelnde Fleisch von einem Hund oder Werweißwas angeboten, und ein Mechaniker macht Reklame für die Reparatur von Motorrollern, obwohl es gar keine Motorroller mehr gibt. Früher fand der Wochenmarkt auf dem gesamten Platz statt; es war laut, es duftete, Bäume schmückten den Platz und boten Schatten.
    Zwar wird der Wasserwagen erst in einer halben Stunde erwartet, doch bereits jetzt stehen etwa hundert Frauen mit Eimern, Kanistern und Kalebassen Schlange. Einige von ihnen wagen einen kurzen Ausflug zu den kümmerlichen Angeboten, ohne jedoch die Straße aus dem Blick zu verlieren. Man begrüßt sich, wechselt hier und da vielleicht ein paar Worte, doch die meisten Frauen hocken mit trüben Augen und gesenktem Kopf im Staub. Eine von ihnen, ein wandelndes Skelett

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