Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Odo und Lupus 04 - Die Witwe

Odo und Lupus 04 - Die Witwe

Titel: Odo und Lupus 04 - Die Witwe
Autoren: Robert Gordian
Vom Netzwerk:
saß ein kugelförmiger Kopf mit kurzgeschnittenem Vollbart, die Nase war klein und fast kindhaft aufgeworfen, hinter den halbgeschlossenen Lidern bewegten sich flinke Augen. Die Kniehosen, die geschnürten Lederstrümpfe, das ärmellose Wams waren die hier übliche Jägerkleidung, zu der jedoch ein prächtiger Gürtel mit goldener Schnalle nicht recht passen wollte. Der Beutesack des Jägers war schlaff, nur der Kopf eines Baummarders lugte hervor.
    „Heil und Glück auf dem Weg!“ rief der Thüring und wandte sich damit gleich an Odo, den er wie jedermann sonst ohne Zögern als unseren Anführer ausmachte. Obwohl ich ja ranggleich bin, lasse ich meinem stattlichen Gefährten auch gern den Vortritt, wenn es gilt, erst einmal Eindruck zu machen. Odo erwiderte den Heilgruß, worauf der Thüring fortfuhr:
    „Woher und wohin, wenn die Neugier erlaubt ist?“
    „Aus Franken und zum Grafen Rothari.“
    „Hoho, zum ‚Grafen‘!“ Der Jäger gab sich erstaunt. „Ich wußte gar nicht, daß Rothari Graf ist. Wir leben hier noch nach der alten Ordnung, was natürlich nicht heißt, daß wir weniger fromm sind oder nicht treue Gefolgsleute des Herrn Königs. Ihr wollt also meinen Nachbarn Rothari besuchen. Ich bin Garibald, der Herr vom Rabennest. So nannten schon meine Ahnen unsere Felsenburg. Dürfte ich Euern Namen erfahren?“
    „Odo von Reims, Vasall des Königs. Das ist der Diakon Lupus, aus ostfränkischem Adel. Die Männer dort sind unser Gefolge.“
    Wie immer bei der Begegnung mit Fremden vermieden wir zunächst, unseren Amtstitel zu nennen, um weder zu großen Respekt noch Haß oder Feindschaft herauszufordern. Herr Garibald gab sich erfreut über die Bekanntschaft und wünschte uns nochmals Heil und Glück auf dem Wege.
    „Glück auf dem Wege?“ sagte Odo und wies auf die hundert Schritte entfernte Stelle, wo die Baumungetüme den Durchgang versperrten. „Mir scheint, Ihr wollt Euch über uns lustig machen.“
    „Das würde ich nicht wagen, Herr Odo!“ erwiderte der Thüring geschmeidig. „Ich meine es ernst. Denn habt Ihr nicht Glück, da ich durch Zufall vorüberkomme und Euch in ein anständiges Quartier führen werde? Dies ist zwar eine rauhe Gegend, doch leben hier Menschen, die die Gastfreundschaft hochhalten. Ihr nehmt doch meine Einladung an …“
    „Ist Euer Rabennest weit von hier?“
    „Nicht eine Meile. Es geht allerdings ein Stück bergauf. Wir werden aber vor Sonnenuntergang am Ziel sein.“
    „Und wie kommen wir dann weiter?“
    „Der bequemste Weg ist dieser hier … durch den Paß. Was Ihr dort seht“, er deutete auf die Verwüstung, „ist vor drei Tagen passiert. Ein Unwetter, daß man fürchten mußte, das Ende der Welt sei gekommen. Dabei sind wir hier manches gewöhnt. Nun, wenn Rothari der Graf vom Tannengrund wäre, hätte er wohl die Bäume schon wegräumen lassen. Doch er kümmert sich nicht darum! Das macht aber nichts, seid ohne Sorge. Morgen schicke ich Knechte her, die erledigen das. Dann könnt Ihr Weiterreisen … es sei denn, Ihr würdet es vorziehen, noch ein paar Tage meine Gäste zu bleiben. Macht Euch nun fertig!“
    Er hob den Hahn auf und steckte ihn in seinen Beutesack. „Den lasse ich gleich für Euch zubereiten! Ich habe auch fränkischen Wein, der Euch schmecken wird. Es soll Euch bei mir an nichts fehlen!“
    Natürlich war es verlockend, unter ein Dach zu kommen, statt mitten im Wald zu nächtigen, von Bären und Wölfen umlauert. So luden wir das Gepäck wieder auf und machten uns marschfertig. Herr Garibald ging unter uns herum, als seien wir gute, alte Bekannte, faßte da und dort zu, beklopfte die Hälse der Pferde und begutachtete das Sattelzeug. Damit er uns nicht verstand, sagte Odo zu mir auf romanisch:
    „Die Knechte, die er schicken wird, um den Weg freizumachen, werden vermutlich dieselben sein, die ihn versperrt haben. Oder bist du anderer Meinung?“
    „Wahrscheinlich hast du recht“, erwiderte ich in derselben Sprache. „Das Unwetter vor drei Tagen hat er erfunden. Ebenso wie es kein Zufall war, daß er uns heute hier getroffen hat.“
    „Den Birkhahn hat er natürlich nicht aus der Luft geschossen, sondern heruntergeworfen.“
    „Was will er von uns?“
    „Das ist doch klar. Verhindern, daß wir uns zu Rothari begeben. Dem scheint er nicht gerade gewogen zu sein.“
    „Was den umgekehrten Fall einschließt.“
    „Gewiß.“
    „Rothari ist der Vertreter des Königs. Und wer ist dieser Garibald?“
    „Das werden wir
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher