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Odo und Lupus 04 - Die Witwe

Odo und Lupus 04 - Die Witwe

Titel: Odo und Lupus 04 - Die Witwe
Autoren: Robert Gordian
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hoffentlich bald herausbekommen.“
    „Hoffentlich!“ Plötzlich packte mich Kleinmut. „Glaubst du wirklich, daß es klug ist, ihm auf seine Felsenburg zu folgen? Wir würden nicht die erste königliche Abordnung sein, die irgendwo in der Wildnis, in einem gottverlassenen Winkel des Reiches umkommt.“
    Meine besorgte Miene reizte Odo zum Lachen.
    „Und was schreckt dich daran? Dann werden wir Märtyrer sein! Zugrundegegangen im Dienste des christlichsten aller Könige!“
    „Schöne Aussichten …“
    „Finde ich auch. Man wird unsere Knochen sammeln, Kirchen für uns bauen, und das Volk wird uns anbeten. Als heiliger Odo und heiliger Lupus werden wir Wunder tun. Können wir die Ewigkeit angenehmer verbringen?“
    Wir erreichten das Rabennest bei Einbruch der Dämmerung.
    Ein steinerner Wall begrenzt den vorderen Teil der Anlage, einen Wirtschaftshof mit vielleicht zehn, zwölf Hütten, die sich ohne erkennbare Ordnung unter Fichten und Tannen ducken. Es war die Stunde, in der das Vieh von der Weide kam, und wir mußten uns zwischen Kühen und Schafen durch das enge Tor hindurchdrängen. Herr Garibald rief einen Knecht herbei und gab ihm Befehle. Dabei bediente er sich der Sprache der Sorben, die nun wiederum uns nicht bekannt war. Der Mann verschwand, und gleich darauf war es ein ganzer Schwarm von Knechten und Mägden, der uns umringte. Sie ergriffen die Zügel unserer Tiere und bemächtigten sich unseres Gepäcks. Auch unsere Waffen wollten sie fortnehmen, und es bedurfte energischen Widerstands, um wenigstens dies zu verhindern. Wir schrien die Leute an und wehrten sie ab, doch bald bemerkten wir, daß sie uns nicht verstanden. Sie taten nur, was ihnen befohlen war. Einige waren auch stumm, wenn nicht gar die meisten. Sie antworteten uns mit rauhen oder kreischenden Lauten und heftigen Gesten. Eine junge Magd, die meinen Grisel wegführte und die ich fragte, wo ich ihn finden könne, lallte etwas und riß den Mund auf, damit ich hineinsehen konnte. Man hatte ihr die Zunge herausgeschnitten.
    Nach dieser wenig erbaulichen Ankunftszeremonie begaben wir uns zum Herrenhaus. Wir gelangten nun in das eigentliche Rabennest, eine wahrhaft bizarre Felsenburg, teils natürlich gewachsen, teils künstlich gebildet. Hinter einem mannshohen Palisadenzaun, der den äußeren Wall verdoppelt und die Wohnstatt der Herren auch zum Wirtschaftshof abgrenzt, betritt man das nackte Felsplateau. Es fällt nach drei Seiten so steil ab, daß es für einen Feind unmöglich ist, von hier einzudringen. In der Mitte erhebt sich noch einmal ein Felsen, gleich einem riesenhaften gekrümmten Finger, dessen Spitze über den Abgrund ragt. Irgendwann wurden ungefüge und unregelmäßige Stufen hineingehauen, so daß man sogar dort hinaufsteigen und über den Tannengrund Ausschau halten kann. An diesen Felsen lehnen sich Häuser – das große, schmucklose, rohgezimmerte Salhaus und ein paar kleine Gebäude als Schlafhäuser. Eine nur kniehohe Mauer läuft zum Schutz der Bewohner am Rande der Felsenplattform entlang.
    Lebhaftes Treiben herrschte auch hier. Eine Rotte von zehn, zwölf jungen Männern vergnügte sich lärmend vor einem der Schlafhäuser. Längs der Wand war eine Reihe von Strohpuppen aufgestellt, nach denen die Burschen Speere und Lanzen warfen. War eine getroffen, johlten sie, und der erfolgreiche Schütze belohnte sich mit einem Schluck aus einem tönernen Krug, in dem sich wohl Bier befand. Einige waren schon betrunken, denn sie schwankten und benahmen sich äußerst ungeniert. Als sie uns erblickten, erhoben sich spöttische Rufe und auch Gelächter. Dies galt vor allem mir und meinem Mönchsgewand. Wenn auch der größte aller Glaubensprediger, Bonifatius, gerade im Land der Thüringer lange und segensreich wirkte, so konnte er doch in solche rauhen Winkel nicht vordringen. Hier dünstet noch immer das krasseste Heidentum.
    Der Anblick dieser Horde ließ die Befürchtungen, die mich beim Aufbruch plagten, wieder wach werden. Auch Odos Miene verfinsterte sich. Heiko, Fulk und die Recken hielten die Hand am Schwertgriff. Rouhfaz, der unsere Schatulle mit dem Geld und den Urkunden schleppte, wich nicht von Odos Seite. Mir schien, er faßte sogar seinen Mantel an, um notfalls hinunterkriechen zu können.
    „Ist das Euer Gefolge?“ fragte Odo den Hausherrn.
    „Nein, das ist nur mein Neffe Hug mit ein paar Freunden“, sagte Garibald. „Sie alle sind Söhne von Adalingen, stammen aus guten Familien. Ihr seht, unsere
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