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Odo und Lupus 04 - Die Witwe

Odo und Lupus 04 - Die Witwe

Titel: Odo und Lupus 04 - Die Witwe
Autoren: Robert Gordian
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ihnen nur ausreichend zu trinken zu geben, um sie ebensoleicht durch ihre eigenen Laster wie durch Waffengewalt zu bezwingen.
    Allard war auch jetzt nicht mehr nüchtern. Er zog seinen Gürtel straff, rülpste vernehmlich und sagte:
    „Heil! Ah, sind das die hohen Gerichtsherren?“
    „Was für Gerichtsherren?“ fuhr ihn Garibald an. „Was redest du da? Wie kommst du darauf? Es sind Reisende, die ein Obdach suchen. Hohe Persönlichkeiten, gewiß. Aber keine Gerichtsherren!“
    „Verzeiht, ein Irrtum“, stammelte Allard. „Ich hab' nur gedacht …“
    „Was hast du gedacht?“ fragte Odo.
    „Ich … Oh, ich habe nur bei Rothari …“
    „Er ist sein Gefolgsmann“, erklärte Garibald. „Vielleicht hat er irgend etwas aufgeschnappt. Von Gerichtsherren oder dergleichen. Vermutlich hat er es falsch verstanden. Ich habe noch nicht mit ihm gesprochen. Er ist nämlich heute erst gekommen.“
    „Gestern, Onkel!“
    „Nun, meinetwegen … dann eben gestern. Aber wir hatten noch keine Gelegenheit, miteinander zu reden. Rothari erlaubt ihm von Zeit zu Zeit heraufzusteigen und uns zu besuchen. Er hat seine arme Mutter getröstet … in ihrer Verzweiflung über den Verlust des Gemahls.“
    „Meine Mutter getröstet?“ Allard lachte auf, beherrschte sich aber gleich, weil Garibald ihm einen funkelnden Blick zuwarf. „Ach ja, meine Mutter … das ist wahr. Ich hab' sie getröstet. Sie weint sehr viel …“
    „Er selbst gehörte in diesem Jahr mit zum Heerbann“, fuhr Garibald fort, sichtlich bemüht, den Allard so wenig wie möglich zu Worte kommen zu lassen. „Da oblag ihm die traurige Pflicht, seinen Vater im fremden Land zu begraben. Er kennt natürlich den Mörder, ist ja in derselben Gefolgschaft …“
    „Irmo war es, der Schurke!“ stieß Allard hervor. „Ich werde ihn –“
    „Schweig jetzt, Allard! Die Herren wissen schon, was geschehen ist. Wir wollen sie nicht mit unseren Sorgen belästigen. Bitte tretet ins Haus ein, laßt Euch bewirten!“
    Endlich gelangten wir nun in das Salhaus. Hier gab es Bänke für unsere müden Glieder, die seit dem frühen Morgen nicht zur Ruhe gekommen waren. Aber noch war es uns nicht vergönnt, uns niederlassen. Zunächst mußten wir die Hände von gut einem Dutzend Männern drücken, bärtigen, finster blickenden Schraten, der Gefolgschaft des Hausherrn. Der Größe nach aufgereiht, standen sie hinter der Tür und erwarteten uns bereits, nachdem sie offenbar vorausgeahnt hatten, daß Herr Garibald uns zufällig auflesen würde. Auch der Willkommenstrunk wartete schon. Als der Hausherr jetzt nämlich einem der Männer auftrug, zu seiner Gemahlin, Frau Bathilda, zu eilen, damit sie den ‚römischen Becher‘ und einen Krug Wein bringe, teilte sich die Reihe der Schrate, und wie durch ein Wunder trat ein hutzliges Weiblein hervor, das die gewünschten Dinge in Händen hielt. Hinter der edlen Frau Bathilda erschien ein holdselig lächelndes junges Geschöpf mit einem pausbäckigen Engelsgesicht. Es trug die Schalen mit Brot und Salz.
    Herr Garibald ließ keine Peinlichkeit aufkommen, sondern belobigte seine Gemahlin, weil sie sich beim Anblick der Gäste am Tor gleich ihrer Pflichten besonnen habe. Das Engelsgesicht war seine einzige Tochter Meinrade, von der wir gleich erfuhren, daß sie dem Sohn des Rothari verlobt war. Nun ging der Willkommensbecher von Mund zu Mund, dargereicht von der edlen Frau, die jedem von uns ein zahnloses Lächeln schenkte. Es war tatsächlich ein römischer Glaspokal, vermutlich das beste Stück in der Wirtschaft, doch war am Rande schon so viel abgesplittert, daß man kaum eine Stelle fand, von der man trinken konnte, ohne sich die Lippen zu ritzen. Am Wein dagegen war nichts zu bemängeln. Er war recht süß und stammte aus Italien, wohin die Thüringer seit den Zeiten der Langobardenherrschaft gute Verbindungen pflegen.
    Bevor wir tranken, hielt Herr Garibald, wie es üblich ist, eine kurze Anrede. In einem Atemzug lobte er den ‚Herrn Christus‘ und den alten Gewittergott Donar, weil der eine unsere Wege gelenkt, der andere aber die Bäume geknickt habe, so daß wir infolge aller dieser göttlichen Unternehmungen nun Gäste im Rabennest seien. Ich verzichtete auf religiöse Spitzfindigkeiten, die mir im Augenblick nicht angebracht schienen. Offenbar hatte ja weder Jesus noch Donar etwas mit der Sache zu tun. Nachdem wir uns mit Blicken verständigt hatten, machte uns Odo den Spaß, dem Garibald noch einmal alle Künste der
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