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Ocean Rose. Verwandlung (German Edition)

Ocean Rose. Verwandlung (German Edition)

Titel: Ocean Rose. Verwandlung (German Edition)
Autoren: Tricia Rayburn
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Rücken zu mir vor einem großen Spiegel und betrachtete ihre Hawthorne-Schuluniform: ein kurzer marineblauer Rock mit passendem weißem Oberteil und einer roten Kapuzenweste. Neben ihr auf dem Boden stand offen eine lederne Kuriertasche, aus der Hefte und Stifte herausschauten.
    »Vanessa«, sagte sie und drehte sich zu mir um. »Gott sei Dank, dass du kommst. Ich war schon kurz davor, mir diese Schulkrawatte als Gürtel umzubinden.«
    Als ich ihr zu Hilfe eilte, sah ich, dass sie gleichzeitig in der anderen Hand das Telefon hielt.
    »Hier, Oma B will hallo sagen.«
    Ich klemmte mir ihr Handy zwischen Ohr und Schulter und fing an, Paige die blaue Seidenkrawatte zu binden. »Guten Morgen, Betty.«
    »Vanessa, Liebes. Bist du bereit für deinen großen Tag?«
    Die vertraute Wärme in ihrer Stimme brachte mich zum Lächeln. »So bereit man eben sein kann. Paige ist eine Musterschülerin, dank der ich jetzt mehr neue Stifte und Notizhefte habe als der größte Schreibwarenladen in Boston.«
    »Man kann nie vorbereitet genug sein«, sagten Betty und Paige wie aus einem Mund.
    »Tja, das heißt wohl, dass ich mir besser was anziehen sollte«, gab ich zurück.
    »Lass dich nicht aufhalten«, erwiderte Betty. »Ich hoffe, du hast einen wundervollen Tag. Und vielen Dank, dass du dich so gut um meine Enkelin kümmerst.«
    Nachdem wir uns verabschiedet hatten, reichte ich das Handy an Paige zurück, die sich ebenfalls verabschiedete und auflegte.
    »Später bekommst du von mir eine ausführliche Einweisung in die Kunst des Krawattenbindens.« Ich zog den Knoten stramm und zupfte mein Werk zurecht. »Einmal gelernt, vergisst man das nie wieder.«
    »Ich kann nur hoffen, für den Schulstoff gilt das Gleiche.« Sie wandte sich wieder dem Spiegel zu. »Du hast ja schon fast als Baby mit dem Unterricht angefangen. Hawthorne ist deine dritte Schule, oder?«
    »Nein, die vierte. Davor kamen die John-Adams-Vorschule, die Ralph-Waldo-Emerson-Grundschule und die John-F.-Kennedy-Junior-Highschool.«
    »Meine Schulen hatten alle nur Ortsnamen. Keine Staatspräsidenten oder berühmten Intellektuellen weit und breit. Nicht gerade beeindruckend.«
    »Doch«, widersprach ich und ging auf die Tür zu. »Du wohnst schließlich an einem Ort, wo reiche Bostoner schon für einen Kurzurlaub haufenweise Geld ausgeben. Wenn sie deinen Grips hätten, würden sie ihre Luxushäuser an der Newbury Street verkaufen und für immer nach Maine ziehen.«
    »Ich wohne da nicht.«
    Bei dieser Bemerkung blieb ich stehen und drehte mich um.
    » Früher habe ich am Urlaubsort der Boston-Elite gewohnt, aber jetzt nicht mehr.«
    Mir wurde das Herz schwer. Ich war nicht die Einzige, die in diesem Sommer einen furchtbaren Verlust erlitten hatte. Um genau zu sein, hatte Paige viermal so viel verloren wie ich, wenn sich Trauer in Zahlen ausdrücken ließe. Deshalb lebte sie schließlich hier bei uns statt zu Hause in Winter Harbor.
    »Es ist ja nicht für immer«, sagte ich. »Wenn du willst, kannst du gleich nach der ersten Schulwoche wieder abreisen.«
    Sie schniefte kurz, und ich ging zurück, um sie in die Arme zu nehmen, falls sie sich ausweinen wollte. Aber sie fächelte sich mit den Händen Luft zu, um ihre Augen zu trocknen, und sah mich gleich darauf wieder mit ihrem umwerfenden Lächeln an. Genau wegen dieses Lächelns hatte ich sie vor drei Monaten, als wir uns im Restaurant ihrer Familie kennengelernt hatten, auf der Stelle ins Herz geschlossen.
    »Geh am besten schon mal vor«, bat ich und umarmte sie kurz. »Ich komme zum Frühstück hinterher, wenn ich angezogen bin.«
    Paige nickte und begleitete mich den Flur entlang. An der letzten Tür links bog ich ab, während sie die Treppe hinunterging.
    In meinem neuen Zimmer wandte ich mich meinem roten Reisekoffer zu. Seit unserer Rückkehr nach Boston stand er an der gleichen Stelle, an der ich ihn abgestellt hatte, als ich in Justines Zimmer gezogen war, damit Paige meins bekommen konnte. Ich lebte aus diesem Koffer und hatte nur die kurzen Hosen und dünnen T-Shirts gegen Herbstkleidung ausgetauscht. Jeans, Pullis und BHs lagen im Umkreis auf dem Teppich verstreut wie Abfall um eine überquellende Mülltonne. Normalerweise hätte die Putzfrau, die jeden Dienstag kam, das Chaos beseitigt, aber sie betrat dieses Zimmer nicht.
    Ich fand sämtliche Teile meiner Schuluniform, zog mich schnell an und band mein nasses Haar zu einem Pferdeschwanz zusammen. Als ich nach frischen Socken suchte, summte mein Handy.
    Es
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