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Oben ist es still - Bakker, G: Oben ist es still

Oben ist es still - Bakker, G: Oben ist es still

Titel: Oben ist es still - Bakker, G: Oben ist es still
Autoren: Gerbrand Bakker
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Gatter, hebe es an und öffne es ganz. Die Jungen rühren sich nicht von der Stelle, sie schauen mich ungläubig und ein bißchen ängstlich an.
    Im Winter stehen die Esel oft lange im Eselstall neben dem Hühnerhaus. Esel hassen es, nasse Füße zubekommen. Im Stall ist es trocken, und auf dem Boden liegt eine Lage Stroh. Der Stall ist sechs Meter lang und fünf Meter breit. Nach vorn hin, wo er ein Vordach hat, ist er offen. Die Esel haben eine Box von vier mal fünf Metern, und auf den restlichen zwei Metern an der Vorderseite warten Heuballen und ein Sack Hafer. In einer Kiste sind meistens ein paar Zuckerrüben und Wintermöhren. Auf einem Wandbrett liegen ein großes Messer, ein Striegel, eine Bürste, ein Renet, eine grobe Feile und ein Hufkratzer. Wenn die Esel im Stall stehen, vergeht kein Tag, an dem Teun und Ronald nicht bei ihnen sitzen. Auf den Heuballen oder in der Box, auf der Einstreu. Und am liebsten, wenn es draußen schon ein bißchen dunkel wird und ich die Lampe angemacht habe. Einmal lagen sie, als ich in den Stall kam, der Länge nach auf dem Boden – unter den Eseln. Ich fragte sie, warum sie das machten. »Wir wollen unsere Angst besiegen«, sagte Teun, der damals etwa sechs war. Ronald nieste, weil ihm das lange Winterfell seines Esels ins Gesicht hing. Und jetzt haben sie Angst, weil die Esel los sind.
    »Wie denn?« fragt Ronald.
    »Ganz einfach. Man stellt sich hinter sie und drückt gegen ihren Po.«
    »Ja vielen Dank!« sagt Teun.
    »Sie tun nichts«, verspreche ich.
    »Wirklich nicht?« fragt Ronald.
    »Wirklich nicht.«
    Beide stellen sich hinter einen Esel, und Ronald fängt gleich an zu drücken, mit seinem ganzen Gewicht. Teun klopft seinem Esel erst vorsichtig auf den Hintern, um sicherzugehen, daß er nicht tritt. Ich bin gespannt, was jetzt geschieht.
    Es geschieht nichts. Ich gehe zur Scheune.
    »Wo gehst du hin?« fragt Teun.
    »Ich komme gleich wieder«, sage ich.
    In der Scheune fülle ich ein paar Handvoll Kraftfutter in einen Eimer. Bevor ich zu den Jungen zurückgehe, spähe ich um die Scheunenecke, um zu sehen, wie die Sache steht. Es hat sich nichts verändert. Als Teun sich ängstlich umschaut, gehe ich wieder zu ihnen. »Klappt’s nicht?« frage ich.
    »Nein«, sagt Ronald. »Dumme Viecher.«
    »Bitte?«
    »Ich meine . . .« beginnt er.
    »Sie bewegen sich nicht«, erklärt Teun.
    Ich gehe auf die Koppel und schüttle den Eimer. Ronald fällt um, so schnell läuft der Esel, gegen den er sich gestemmt hatte, auf mich zu. Ich kippe den Eimer aus und schließe das Gatter. Dann lehnen wir uns zu dritt noch eine Weile auf das oberste Brett und schauen den Eseln dabei zu, wie sie das Kraftfutter auffressen. Ich stehe auf dem Boden, Teun auf dem untersten und Ronald auf dem zweituntersten Brett.
    »So was macht ihr nicht mehr, nein?« frage ich.
    »Nein«, sagen beide gleichzeitig.
    Sie springen auf den Boden und gehen Richtung Hof. Als sie fast schon beim Damm sind, dreht Teun sich um. »Wo ist dein Vater?« ruft er.
    »Drinnen«, antworte ich.
    Mehr will er gar nicht wissen. Sie überqueren den Damm und biegen nach rechts ab.
    Ich bleibe allein bei den Eseln zurück. Sie haben keine Namen. Vor Jahren, als ich sie kaufte, fielen mir keine Namen ein, und nach einiger Zeit war es zu spät, da waren sie schon »die Esel«. Vater hatte mich gefragt, ob ich verrückt geworden wäre. »Esel?« fragte er. »Was um Himmels willen sollen wir mit Eseln? Und was daswieder kosten wird!« Ich sagte ihm, daß sie nicht unsere Esel sein würden, sondern meine Esel. Wenigstens hatte der Viehhändler Freude an dem Geschäft; wieder mal was anderes. Es sind Mischlingsesel, keine französischen, irischen, italienischen oder spanischen Rasseesel. Ihre Farbe ist ein sehr dunkles Grau, und der eine hat eine hellgraue Nase. »Wo ist dein Vater«, sage ich leise zu ihnen und schnalze mit der Zunge. Sie kommen näher und drücken ihre verschiedenfarbigen Nasen in mein Haar.

    Die Kühe sind unruhig, zwei haben nach mir getreten, als ich ihnen das Melkzeug anhängen wollte. Vor kurzem dachte ich noch, es läge daran, daß sie nicht mehr auf die Weide gehen, aber jetzt kommt mir der Verdacht, daß ich unruhig bin, und was das angeht, sind Kühe manchmal fast wie Hunde; die haben ja angeblich ein feines Gespür für die Gemütsverfassung ihrer Herren. Ich habe keinen Hund. Wir haben nie Hunde gehabt.

    Vater hat die Mandarinen nicht gegessen. Eigentlich will ich von ihm nichts sehen und nichts
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