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Oben ist es still - Bakker, G: Oben ist es still

Oben ist es still - Bakker, G: Oben ist es still

Titel: Oben ist es still - Bakker, G: Oben ist es still
Autoren: Gerbrand Bakker
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sehr warm war. Der an der Seitenmauer eines Bauernhofs stand, im Schatten, und dort nichts zu tun hatte, außer zu beobachten,
     reglos, mit angehaltenem Atem. Der seit 1967 jeden Tag älter geworden ist, ohne daß sich sonst irgend etwas verändert hätte, nein, etwas ist doch anders: die Esel, und ausgerechnet über die Esel hatte der rotblonde Junge etwas gesagt. Altmodisch seien sie. Insofern war es doch nicht ohne Bedeutung, was er gesagt hatte. Sie lenken ihre Boote in die Opperwoudervaart, lachend, jung, selbstsüchtig, also mit kurzem Gedächtnis. Sie fahren auf die untergehende Sonne zu. Das ist unmöglich, weil der Kanal nach Osten führt, Richtung IJsselmeer, dort kann die Sonne also gar nicht untergehen, aber jetzt ist es möglich, und die Jungen werden zu Umrissen, und der Klang ihrer Stimmen wird immer schwächer. Dann sind sie weg. Jetzt, denke ich, jetzt schlafe ich ein. Wenn man es denkt, kann man es natürlich vergessen. Die eingebildete Sonne erinnert mich ans Meer, das in Luftlinie vielleicht fünfunddreißig Kilometer weiter westlich liegt. Es ist sehr lange her, daß wirdort waren, zweimal im selben Sommer. An beiden Tagen hatte sich der Himmel im Lauf des Nachmittags bezogen. Mutter wollte gern die Sonne im Wasser untergehen sehen und hatte Vater dazu überredet, den Knecht allein melken zu lassen. Ich habe noch nie gesehen, wie die Sonne im Meer untergeht, obwohl ich dafür gar nicht weit fahren müßte.
    Ich höre etwas, ich glaube, daß es unter meinem Fenster ist, und spüre ein Kribbeln unter meinen Nackenhaaren. Ich denke an Vater, der oben liegt. Zu nichts ist er mehr nütze, aber jetzt brauche ich ihn doch, um meine Angst zu vertreiben.
    Vielleicht denkt der rotblonde Junge manchmal noch an mich, an den alten Bauern, der nur dagestanden hatte, damals an dem schönen Sommertag.
8
    »Alt? Helmer, du bist doch nicht alt!« Ada, die Mutter von Teun und Ronald, sitzt mir am Küchentisch gegenüber. »Dein Vater, ja, der ist alt.«
    Ada hatte von ihren Söhnen so einiges gehört. Von den Eseln und von »schmalen Holzlatten« an den Fenstern. Sie ist neugierig. »Weißt du, wer auch alt ist? Klaas van Baalen, der gleich außerhalb von Broek wohnt. Der ist in deinem Alter, und er ist so schmutzig. Er kann nicht für sich selbst sorgen. Neulich hat man seine Schafe abgeholt, ganz vernachlässigt, Wollknäuel mit klappernden Knochen.«
    Ich hatte vergessen, daß Ada ihren Kaffee jetzt ohne Milch trinkt, und deshalb gesagt, daß ich alt würde.Ada fand es »phantastisch«, was ich aus Wohn- und Schlafzimmer gemacht habe. Das Blau der Böden und der Holzteile sei »superschön«, und vor allem von dem vielen Platz war sie begeistert. Ich müsse mir aber noch eine Steppdecke kaufen, meinte sie. Diese Wolldecken, nein, das gehe wirklich nicht mehr, das sei »ganz furchtbar altmodisch«, und unter einer Steppdecke schlafe man »um einiges komfortabler«. (»Ist der Ausdruck eigentlich richtig?« überlegte sie gleich darauf.) Sie wollte wissen, was ich für die Lamellenjalousien bezahlt habe; ihre Vorhänge zu Hause (»diese Staubfänger«) wäre sie nämlich auch gerne los. Ob ich die Sessel einfach weggeworfen hätte? Ach richtig, eigentlich wisse sie das ja schon, plötzlich fiel ihr eine Geschichte ein, die Teun und Ronald erzählt hatten, etwas von einem »Teppichhaus«. »Wunderbar«, Sachen einfach wegwerfen zu können, Platz zu schaffen, nicht immer alles aufheben zu wollen. Dann ging sie noch einmal ins Schlafzimmer. Warum ich immer noch in einem Einzelbett schlafe? In einem großen Bett würde ich »schön viel Platz« haben. Sie schaute mich schelmisch an, als sie das sagte. Und um noch mal auf die Steppdecken zurückzukommen, das solle ich »unbedingt machen«, dann könne ich nämlich auch hübsche blaue Bettbezüge kaufen, und das Zimmer würde noch schöner und »frischer« wirken.
    Auf dem Weg zur Küche breitete sie die Arme aus und zeigte auf die leeren Wohnzimmerwände. Kunst. Warum ich nicht mal »irgendwas an Kunst« kaufen würde?

    Ada ist noch jung, sie wird etwa fünfunddreißig sein. Ihr Mann ist bestimmt zehn Jahre älter, vielleicht auch fünfzehn. Sie platzt fast vor Energie, am liebsten würde sie jede Woche hier putzen, statt nur einmal im Jahr, imApril. Sie ist Schatzmeisterin der Landfrauen, quiltet, gehört einem Lesekreis an, engagiert sich für die Belange des Dorfs und gestaltet gerade »den schönsten Garten von ganz Waterland«. Sie erinnert mich an Mutter, weil
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