Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nybbas Träume - Benkau, J: Nybbas Träume

Nybbas Träume - Benkau, J: Nybbas Träume

Titel: Nybbas Träume - Benkau, J: Nybbas Träume
Autoren: Jennifer Benkau
Vom Netzwerk:
Denfeinen Sprühnebel tief einzuatmen verlangte ihr alle Kraft ab, doch schließlich löste sich der Knoten in ihrer Brust und das Luftholen wurde leichter. Schweiß klebte ihr das Nachthemd an den Körper und ließ sie im Zug des Deckenventilators zittern. Sie wollte nach dem Laken greifen, doch wie jedes Mal hatte der Traum eine Wirkung auf sie zurückgelassen, die ihren Körper schwer machte, ihn beinahe lähmte. Fast war ihr, als fühle sie selbst das Gewicht der Felsbrocken, die ihren Vater vor fast siebenundzwanzig Jahren unter sich begraben hatten. Die Tragödie geschah sechs Monate vor ihrer Geburt. Frederik Sievers hatte nie erfahren, dass seine Frau Mary schwanger war.
    Schwerfällig verließ Joana das Bett und schlurfte barfuß Richtung Badezimmer. Sie stieß sich den Zeh an der Staffelei, die schon seit Jahren im Flur verstaubte, fluchte und gab dem Holzgestell einen Tritt. Es war fast fünf Uhr morgens, sie war nach der Spätschicht und reichlich Überstunden erst gegen zwei ins Bett gekommen und nach diesem Traum erschöpfter als zuvor. Doch Schlaf würde sie jetzt keinen mehr finden. Der Traum ließ immer das Gleiche zurück. Schweißausbrüche, Asthmaanfälle und Müdigkeit. Darüber hinaus grüblerische Gedanken, die jeden Versuch, sich zu entspannen, regelrecht verhöhnten. Sie drehten sich alle um ihren Vater, dessen Tod ihr Unterbewusstsein in so vielen Nächten zu verarbeiten versuchte, ohne dass sie es gewollt hätte. Sie hätte etliches getan, um diese Träume endlich loszuwerden. Zumal es Schlimmeres in ihrem Leben gegeben hatte. Geschehnisse, die sich für Alpträume geradezu anboten.
    Den Mord an dem Mann, den sie geliebt und schließlich mit zerschmettertem Schädel in einer Leichenhalle wiedergesehen hatte.
    Das Baby.
    Doch weder Sascha noch sein Kind erschienen ihr des Nachts. Stattdessen träumte sie von ihrem Vater – einem Vater, den sie nie kennen gelernt hatte. Absurd.
    Joana warf das feuchte Nachthemd in den überquellenden Wäschekorb und stellte sich unter die Dusche. Trotz der schwülen Sommerwärme drehte sie das Wasser so heiß auf, wie sie es eben noch ertrug und suchte Trost in der Hitze, welche jedoch die Kälte tief in ihr nicht berühren konnte.
    Ihr Vater hatte Journalismus studiert. Ein Kommilitone hatte ihn eines Morgens aus dem Bett geklingelt und wenig später waren die beiden Studenten nach Niedersachsen aufgebrochen, wo in einer Tropfsteinhöhle angeblich die Entdeckung des Jahrzehnts auf sie gewartet hatte. Niemand wusste, was die Männer dort gesucht hatten. Gefunden hatten sie den Tod.
    Vom Dampf wurde ihr schwindelig. Sie stützte sich an die kühlen Kacheln und lehnte das Gesicht seitlich dagegen, drehte das Wasser aber nicht kälter. Der prähistorische Boiler gab nicht lange warmes Wasser her. Sie musste nur warten, es würde schneller kalt werden, als ihr lieb war. Ihr schwarzes Haar hing nass bis auf die Hüften und schien ihren Kopf nach unten zu ziehen, so schwer war es. Überhaupt zog alles nach unten. In manchen Momenten war es so schrecklich anstrengend, aufrecht zu stehen.
    Ihre Psychologin hielt das Tongefäß in ihrem Traum für die symbolisierte Büchse der Pandora, auf deren Inhalt die Männer so neugierig gewesen waren, dass sie alle Vorsicht und die Warnhinweise in den Wind geschlagen hatten. Auch für das Erscheinen der beiden schattenhaften Wesen hatte sie eine Menge psychologischer Erklärungen vor Joana ausgebreitet. Keine davon war ihr neu. Doch nichts vermochte die Intensität der grausamen Träume zu verringern. Wer waren diese Gestalten? Was war mit ihnen geschehen? Und, verdammt, warum interessierte sie das überhaupt?
    Das Wasser wurde kalt und brachte Erleichterung.

2
    G
egen Mittag fuhr Joana mit ihrem Taxi zu ihrer Mutter, bei der sie zum Essen eingeladen war. Obwohl sie das Taxilicht abgeschaltet hatte und damit anzeigte, dass sie nicht frei war, versuchten mehrere Passanten, sie zu sich heranzuwinken. Einige schimpften ihr ärgerlich hinterher, da sie nur bedauernd den Kopf schütteln konnte. Fahrgäste zählten nicht immer zu den verständnisvollen Menschen, doch an und für sich liebte sie ihren Job trotzdem. In ihrem Passat durch den Hamburger Verkehr zu sausen, gab ihr die Illusion von Freiheit. Das Geplauder mit ständig wechselnden Fremden war oberflächlich, aber zumindest konnte sie sich einreden, damit ihren Bedarf an Kontakten zu decken, denn privat blieben diese oftmals auf der Strecke. Natürlich gab es Menschen, die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher