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Nybbas Nächte

Nybbas Nächte

Titel: Nybbas Nächte
Autoren: Jennifer Benkau
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verwässern. Offenbar konnte sie das fremde Aussehen ohne Blut nur kurzzeitig halten, es floss ihr regelrecht davon. Na bestens, dann konnte er sie ja doch noch vermöbeln, bevor es wieder hell wurde.
    Er griff unvermittelt an, sobald er nicht mehr in Joanas Augen sehen musste, und überraschte sie. Ihre Hände packten erneut in Richtung seiner Kehle, doch er fing sie ab und hielt sie an den Unterarmen. Seine Zähne zielten auf ihre Gurgel, doch es gelang ihr, sich seitlich wegzudrehen und wieder erwischte er ihre angeschlagene Schulter. Sie blieb stumm, doch er spürte, wie der Schmerz sie durchfuhr. Es war so deutlich, als hätte sie laut aufgeschrien. Ihr Körper zuckte, bäumte sich auf. Erwartungsvolle Euphorie kribbelte in seinen Venen, er hatte so gut wie gewonn…
    Sie wechselte erneut die Gestalt. Für einen Sekundenbruchteil sah sie aus wie Elias und versetzte ihm damit einen weiteren herben Schlag in sein Inneres. Er zwang sich zu widerstehen. Da veränderte sich ihr Aussehen wieder.
    Der Nybbas hätte gern gelacht, als er seinen eigenen menschlichen Körper zwischen den Zähnen hatte. Wenn sie glaubte, dass sie ihn durch seine Eitelkeit schlagen konnte, lag sie falsch. Er drehte ihr einen Arm um. Es knirschte, als Knochen brachen und er ließ los, um ihre Kehle zu fassen. Interessant, wie verletzlich sich sein eigener Leib anfühlte. Die Haut war so weich, die Knochen fragil. Ein Ruck und …
    Der Gedanke verschwamm.
    Die Wut verließ ihn.
    Der Nybbas löste die Zähne aus dem gegnerischen Körper und schüttelte verwirrt den Kopf. Er wollte nicht kämpfen. Warum auch? Jedes Bedürfnis danach war verschwunden.
    Was zur Hölle ging hier vor?
    Ihre Hände, die aussahen als seien es seine, verließen seinen Hals. Sie strich seine verletzte Wange hoch, bis zwei Finger über seinem linken Lid lagen. Er wusste, was sie vorhatte. Sie wollte durch das Auge hindurch in sein Hirn stechen. Das Gehirn war empfindlich, da hatten Dämonen den Menschen nichts voraus. Es ängstigte ihn nicht, es ärgerte ihn nicht einmal. Es war ihm egal. Sie indes amüsierte sich über seine Kapitulation. Er spürte ihre höhnische Freude, mit der sie den Moment hinauszögerte. Es war alles, was er fühlte.
    Und endlich begriff er. Sie spiegelte seinen eigenen Hunger nach Gefühlen. Dämonische Gefühle taugten nicht, um sich daran zu nähren, aber der Nybbas konnte sie durchaus stehlen, wenn der Gegner ihn nicht daran hinderte. Genau das hatte sie getan. Gegen seine eigene Kraft war er machtlos. Er war erneut in ihre Falle gegangen. Sie hatte ihm alle Emotionen gestohlen und gleichgültige Leere zurückgelassen.
    Wirklich alle Emotionen? Sein Verstand arbeitete auf Hochtouren. Kühl und berechnend, ungestört von Gefühlen. Er durchwühlte sein leergefressenes Inneres nach etwas, das sie übersehen hatte. Da musste noch etwas sein, sonst empfände er schließlich auch nicht den Drang, es zu finden.
    Joana.
    Er lächelte innerlich. Seine Liebe zu ihr hatte sie nicht genommen. Vermutlich, weil sie darin keine Gefahr sah. Ein böser Fehler, denn er wollte Joana um jeden Preis der Welt wiedersehen, was sich als schwierig erweisen würde, ließe er zu, dass sie sein Hirn auf zwei Finger spießte.
    Indiskutabel.
    Langsam legte er beide Handflächen aneinander, holte Atem und stieß ihr die Hände mit den Klauen voran tief in die Brust. Ihr Herz war durchbohrt, noch bevor sie den unerwarteten Angriff registrierte. Mit einem Krümmen seiner Finger schnitt er es entzwei. Das Blut sprudelte um seine Klauen, als hätte er glühendes Eisen durch kaltes Wasser gezogen. Ihr Körper wurde schlaff, sackte zusammen und rutschte zu Boden, als er die Arme senkte. Dort zerschellte sie zu Abermillionen winziger, spiegelnder Tropfen. In jedem davon konnte er sich selbst erkennen.
    War da ein bewunderndes Lachen in der Luft, als ihre Überreste in einer silbrigen Schwade verdampften?
    Selbst wenn. Es war gleichgültig.
    Der Nybbas drehte sich zum Koshchei um, der den Kampf still verfolgt hatte. Er betrachtete ihn aus skeptischen Augen, die schlitzartigen Pupillen schmal trotz der Dunkelheit. Für eine Weile erschien es, als überdachte er, wie seine Chancen standen, den Nybbas zu töten, und ob ihm dies einen Vorteil bringen würde. Dann stieß er ein Seufzen aus, das mehr Fragen aufwarf, als es beantwortete. Auch das blieb dem Nybbas egal.
    „Komm, mein Freund“, sagte der Koshchei. „Gehen wir heim.“

26
    E
r fand Joana allein in Demjans Privatzimmer,
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