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Nur Engel fliegen hoeher

Nur Engel fliegen hoeher

Titel: Nur Engel fliegen hoeher
Autoren: Wim Westfield
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einem Putzlappen ab. »Ick werde sie jetzt anrufen. Kann einigermaßen Englisch. Wir finden deinen Engel, bevor du mir seelisch vor die Hunde gehst.«
    Sie gehen zum Telefon im Wohn- und Schlafzimmer. Jonas gibt Fred den Zettel mit der Nummer. Fred wählt.
    »Good morning, may I speak with Julia ... Wow, du bist es selbst! Moment bitte ...« Er reicht den Hörer weiter.
    »Julia! Deine Stimme! Ich dachte schon, ich finde dich nie wieder.«
    »Jonas! Ich warte jeden Tag, dass du mich anrufst. Ich bin schon richtig krank vor Sehnsucht. Wo steckst du?«
    »Ganz in deiner Nähe. In Berlin. Kannst du zu mir rüber kommen?
    »Ich fliege! Sei in einer Stunde am Checkpoint Charlie.«
    Jonas umarmt Fred vor Freude.
    »Pass auf, Alter, solltet ihr nirgendwo unterkommen, hast du hier den Schlüssel. Ick penne heute bei 'ner Freundin.«
    Jonas parkt sein Auto wieder am Alex und geht den Rest des Weges zu Fuß. Kurz vor 12 Uhr steht er am Grenzübergang in der Friedrichstraße, im Westen bekannt unter dem Namen Checkpoint Charlie. Die Zufahrt aus dem Ostteil der Stadt ist durch Betonbarrieren derart blockiert, dass die Autos im Schritttempo Slalom fahren müssen. Die meterhohen Betonklötze sind mit niedrigen Koniferen bepflanzt.
    Er wagt sich vor bis zum ersten Schlagbaum, der sogenannten Vorkontrolle, wo an beiden Straßenseiten je zwei Volkspolizisten stehen. Er will sich gerade eine Zigarette anzünden, da sieht er eine junge Frau auf sich zu rennen. Sie trägt einen eleganten Pelzmantel und winkt mit einem blauen Reisepass. In der andern Hand schwenkt sie eine Plastiktüte.
    Für Sekunden liegen sie sich schweigend in den Armen. Dann ergreift er Julias Hand und nimmt ihr mit der anderen die Tüte ab. Sie gehen eng aneinandergeschmiegt, ohne ein Wort zu sprechen. Immer wieder bleiben sie stehen und küssen sich. Sie lächeln sich an und spazieren weiter Unter den Linden in Richtung Alexanderplatz.
    »Wohin gehen wir?«, fragt Julia.
    Jonas weiß nicht, was er sagen soll.
    »Kennst du ein Hotel - oder müssen wir wieder auf eine Klostermauer klettern?«
    »Ich weiß nicht, ob die uns zusammen in ein Hotel lassen ...«
    »Keine Sorge, ich habe die richtigen Scheine in der Tasche.«
    »Ich kann es nicht annehmen, dass du mich einlädst.«
    »Da vorn steht Hotel Stadt Berlin. Das nehmen wir.«
    Sie laufen Hand in Hand über den Alex und dann die fünf Stufen zum Hotel hinauf. In der Halle lässt Jonas ihre Hand los. Sie gehen zur Rezeption. Julia sagt: »Guten Tag, wir hätten gern ein Doppelzimmer. Was kostet das?«
    »Ihre Reisepässe bitte.«
    Julia legt ihren Pass auf den Tresen, während die Dame mit einem Bleistift im Reservierungsbuch die Spalten durchgeht.
    »Sie können wählen zwischen Straßenseite, also nach Norden. Oder nach Süden mit Blick zum Fernsehturm. Jedes Doppelzimmer kostet 93 D-Mark.«
    »Wir nehmen das Zimmer nach Süden«, sagt Julia.
    »Dann hätte ich gern noch den Pass von Ihrem Begleiter.«
    Jonas legt seinen blauen ostdeutschen Personalausweis auf den Tresen.
    »Oje«, sagt die Hotelangestellte. »Ich darf Ihnen kein gemeinsames Zimmer geben. Es sei denn, Sie legen mir eine Eheurkunde vor.«
    »Dann möchte ich für meinen Begleiter das benachbarte Zimmer oder eines genau gegenüber.«
    »Das darf ich leider nicht machen. Wir haben nichts mehr frei«
    »Aber Sie haben mir doch eben mehrere Zimmer angeboten.«
    »Tut mir leid, die sind alle für Devisenausländer.«
    »Lass uns verschwinden, Julia«, flüstert Jonas. Langsam gehen sie zurück durch den Empfang zum Ausgang des Interhotels. »Julia, das ist hier nichts für uns. Das ist ein Albtraum. Nichts wie weg von hier, solange ich meinen Hass unter Kontrolle habe.«
    Sie fahren zu Freds Wohnung in der Wollankstraße. Auf dem frisch bezogenen Bett mitten im Wohnzimmer liegen zwei Badetücher und ein Zettel: »Herzlich willkommen. Im Kühlschrank findet ihr alles, was ihr braucht. Bin bis Sonntagabend bei meiner Freundin. Fred.«
    Julia knöpft ihren Mantel auf, streift ihn ab und lässt ihn auf die Dielen fallen, zieht Jonas den Parka aus und wirft ihn zu Boden. Seine Hand findet einen Weg unter ihren Pullover, er zieht ihr das Hemd aus der Hose, fährt darunter und streichelt ihre Brust. Julia schleudert ihre Stiefel von den Füßen. Mit beiden Händen öffnet sie seine Jeans und reißt sie nach unten. Nur wenige Sekunden, dann stehen beide splitternackt und eng umschlungen im Türrahmen zwischen Flur und Wohnzimmer.
    Jonas schaltet das Tonband
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