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Nur ein kleines Bischen

Nur ein kleines Bischen

Titel: Nur ein kleines Bischen
Autoren: Mari Mancusi
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Montagmorgen kehre ich in die Schule zurück
    und grinse all meine Lehrer höhnisch an, die mir übel nehmen, dass ich ohne Krankmeldung bei der Schul-verwaltung den Unterricht versäumt habe. Ich mag an einer freundlicheren, sanfteren Rayne arbeiten, aber für Lehrer gilt das nicht. Es sei denn, sie wollen mich mit guten Noten bestechen, obwohl ich traurigerweise niemals einen dazu bringen konnte, mein ach so großzügiges Angebot anzunehmen.
    Cait findet mich im Flur und schlingt mir die Arme um den Hals. Ich trete überrascht zurück. Dies ist nicht die Reaktion, die ich erwartet hatte. Als wir uns das letzte Mal gesehen haben, hat sie mir schließlich gesagt, ich solle sie in Ruhe lassen. Ich hoffe nur, dass sie keine verborgenen Waffen bei sich trägt, die sie mir in den Rücken rammen könnte.
    »Oh Rayne«, ruft sie. »Ich habe überall nach dir
    gesucht. Ich muss mich bei dir bedanken!«
    »Du willst dich bei mir bedanken?« Was habe ich
    getan, um das zu verdienen? Soweit ich mich erinnere, habe ich ihr Leben ruiniert.
    »Dafür, dass du ehrlich zu mir warst. Wegen meiner, hm, du weißt schon.« Sie errötet und wirft einen verstohlenen Blick auf ihre Arme. »Mir ist klar geworden, dass du recht hattest. Ich konnte mich nicht weiter so verletzen. Und um dir die Wahrheit zu
    sagen, es hat ohnehin nicht mehr funktioniert. Am Anfang habe ich mich anschließend immer besser
    gefühlt, aber nach einer Weile habe ich mich so geschämt, dass ich mich am Ende noch schlechter fühlte.
    Und ich hatte die ganze Zeit über solche Angst - ich habe mir Sorgen gemacht, dass mich jemand dabei ertappen könnte.«
    »Also bist du . . .?«
    »Ich bin zur Schulpsychologin gegangen. Und sie
    sagte, sie könnte an meiner Stelle mit meiner Mom sprechen. Und sie hat mir versprochen, es so zu tun, dass meine Mom nicht sauer werden würde. Zuerst habe ich ihr nicht geglaubt, aber irgendwie hat sie es geschafft. Meine Mom hat sich natürlich große Sorgen gemacht, aber sie hat mich nicht ein einziges Mal angeschrien. Es hat sich herausgestellt, dass sie den größten Teil ihres Lebens unter einer Essstörung gelitten hat. Sie hat das jetzt hinter sich, aber sie versteht total, was ich durchmache. Noch am gleichen Wochenende haben wir dann eine großartige Therapeutin gefunden, die mir beibringen wird, mit meinem Leben fertig zu werden, ohne wieder das Bedürfnis zu verspüren, mich selbst zu verletzen. Es wird bestimmt nicht leicht werden, aber es lohnt sich.«
    »Das ist wunderbar, Cait. Ich freue mich so für dich!«, rufe ich. »Und, ähm, was ist mit der Cheerleader-Sache?«, füge ich hinzu; ich wage es kaum, die Frage zu stellen, weil ich Angst habe, ihre gute Laune zu verderben.
    Cait zuckt die Achseln. »Meine Mom fand, dass es
    eine gute Idee sei, wenn ich da aussteige. Du weißt schon, bis ich wieder auf den Beinen bin. Was mich überrascht hat. Ich meine, es war immer ihr Traum , dass ich einmal Cheerleader werde. Ich hätte nie gedacht, dass sie mir erlauben würde aufzuhören.
    Aber sie hat gesagt, meine Gesundheit sei ihr wichtiger als zwei Pompons.« Cait lächelt. »Sie ist eigentlich ziemlich cool, jetzt, wo wir wieder miteinander reden.«
    Ich lächle. »Ich bin so froh für dich. Hast du es den anderen schon gesagt?«
    »Ja. Und das war das Komischste überhaupt. Ich
    meine, ich bin davon ausgegangen, dass es niemanden auch nur im Mindesten kümmern würde. Du weißt schon, weil ich es doch nur ins Team geschafft habe, nachdem du sie erpresst hast.«
    Ich winde mich. »Nun . . .«
    Cait hebt die Hand. »Aber als ich ihnen gesagt habe, dass ich aufhöre, waren sie alle sehr aufgeregt. Es hat sich herausgestellt, dass sie mich wirklich gern im Team hatten. Sie meinten, es würde ohne mich nicht mehr dasselbe sein und wann immer ich bereit sei, könne ich zurückkommen.« Sie grinst. »Also hast du mir zwar ursprünglich geholfen, in das Team zu kommen, aber am Ende habe ich es selbst geschafft, drinzubleiben.«
    »Daran habe ich keine Sekunde gezweifelt«, erwidere ich. »Du bist bei Weitem der beste Cheerleader in der Truppe und das wissen alle.«
    »Danke, Rayne«, sagt Cait. »Es tut mir leid, dass ich so sauer war. Ich war einfach vollkommen verängstigt.
    Aber weißt du, was? Ich denke, es wird alles gut
    werden mit mir.«
    »Und weißt du, was, Cait? Ich denke, mit mir auch.«
    Ich ziehe sie abermals an mich, glücklich darüber, dass das von Problemen geplagte Mädchen ein wenig Frieden gefunden hat. Glücklich
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