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Nummer Drei: Thriller (German Edition)

Nummer Drei: Thriller (German Edition)

Titel: Nummer Drei: Thriller (German Edition)
Autoren: Nicholas Lake
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Internetverbindung, sondern der Link war nur einmal am Tag um 18 . 00 Uhr Greenwicher Zeit aktiv. Was wir senden oder empfangen wollten, wurde bis zu diesem Zeitpunkt gespeichert. Also gewöhnte ich mir an, jeden Abend meine Mails abzurufen und herauszufinden, ob meine Freundinnen mir geschrieben hatten.
    Abends saß ich meistens in meinem Zimmer, weil ich die Sterne nicht sehen wollte.
    Damian beobachtete mich manchmal, wenn ich im Bikini draußen lag. Das war zugleich eklig und angenehm. Ich meine, ich bin keine Schönheit, das ist mir bewusst. Ich habe schmutzigbraunes Haar und ein Durchschnittsgesicht – abgesehen natürlich von den Metallteilen, aber die hatte ich ja noch nicht lange.
    Was ich sonst noch ta t ?
    Nicht viel.
    Ich mochte abstrakte Tanzmusik, vor allem Dubstep. Also lag ich während der Fahrt durch das Mittelmeer auf dem Bett, hörte die laut aufgedrehte Musik und blendete die Welt aus. Diese Musik hat was: dumpfe Bässe, viel Nachhall, körperlose Stimmen. Es ist eine traurige Musik, aber die Trauer ist irgendwie auch tröstend. Ich denke dabei immer an die Lichter einer Stadt, die ich jenseits einer Wasserfläche sehe, wie beispielsweise New York am Hudson River. Ich fühle mich gleichzeitig einsam und geborgen.
    Vor allem aber stelle ich mir bei dieser Musik vor, im Weltraum zu schweben. In keinem Weltraum voller Sterne, sondern in einem völlig schwarzen All, in einem kalten Vakuum, wo sich jedes Geräusch rasch verliert. Die Stimmen sind gebrochen und abgehackt, als höre man in weiter Ferne jemanden in das Funkgerät eines zerstörten Raumschiffs singen. Ich weiß genau, was mir daran gefällt: Diese Stimmen in der Dunkelheit und die tiefen Bässe erinnern an die Toten, die man einst geliebt hat.
    Und noch etwas anderes mochte ich daran: Es war keine klassische Musik. Als Kind hörte ich dauernd dieses Zeug. Genau genommen war das aber keine richtige klassische Musik, sondern eher Barock. Eine Zeit lang war ich ganz versessen auf Bach.
    Aber nach Moms Tod wollte ich nichts mehr davon wissen.
    Ich war also mit Musikhören und Sonnenbaden beschäftigt und hatte seit Moms Tod sowieso kaum noch auf die Welt ringsum geachtet. Deshalb nahm ich, bis wir den Suezkanal erreichten, meine Umgebung so gut wie gar nicht wahr. Die Tage waren ein verschwommenes Einerlei, zusammengepresst wie zerdrückte Bonbons in einer warmen Hosentasche.
    Dann öffnete ich eines Tages die Augen, blickte zum Himmel hinauf und bemerkte ein Blitzen, das ich als Reflexion von Damians Fernglas erkannte.
    Ich weiß nicht, was in diesem Moment in mich gefahren ist. Vielleicht wollte ich nur den Spieß umdrehen. Ihm das Gefühl geben, dass er beobachtet wurde. Oder ihm zu verstehen geben, dass ich seine Blicke bemerkt hatte.
    Jedenfalls stand ich auf und stieg die kurze Treppe zur Brücke hinauf. Ich ging einfach so, wie ich war, zu ihm. Damian wandte sich von dem Ruder zu mir um und sah mich überrascht und nervös an.
    »Was ist los?«, fragte er.
    »Nichts«, antwortete ich. »Ich hab nur Langeweile.«
    Der Mund stand ihm halb offen, aber ich muss ihm zugestehen, dass er sich rasch wieder fing. Er war immer noch ziemlich bleich, weil er die ganze Zeit vor der Sonne geschützt auf der Brücke gestanden hatte. Die Bartstoppeln hoben sich dunkel auf der Haut ab wie eine Schraffur auf Schreibpapier.
    »Willst du mir helfen?«, fragte er.
    »Klar«, sagte ich. »Warum nich t ?«
    Er kam mir entgegen, er kam mir sogar ziemlich nahe, und einen Sekundenbruchteil lang – es war wie auf der Straße, wenn ein entgegenkommendes Fahrzeug mit der Lichthupe vor einem Hindernis warnt – dachte ich, es sei ein unglaublich dummer Einfall gewesen. Dann war er an mir vorbei und nahm einige Papiere vom Tisch.
    »Wir sind zwölf Stunden von Port Said entfernt«, erklärte Damian. »Wir müssen noch vieles vorbereiten. Vorab über Funk Informationen durchgeben, Dokumente einreichen, sobald wir den Suezkanal erreichen. Es geht viel schneller, wenn du hilfst.«
    »O ja, gut«, sagte ich. »Ich will nur rasc h …«
    Rückwärts verließ ich den Raum und stolperte den Korridor zu meiner Kabine hinunter. Was konnte ich tun? Ich hatte versucht, ihn bloßzustellen, aber er war cool geblieben, und nun stand ich da wie eine Närrin. Himmel! Wahrscheinlich hatte ihm mein Auftritt den Eindruck vermittelt, ich hätte eine Schwäche für ihn, dabei war er mit seinem Fernglas eher der gruselige Typ.
    Wie auch immer, ich konnte keinen Rückzieher machen.
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