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Nuhr, Dieter

Nuhr, Dieter

Titel: Nuhr, Dieter
Autoren: Nuhr auf Sendung
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wie
eine Dampfwalze und auch geistig auf diesem Niveau. Er hatte das Hirn eines
großen Dieselmotors, aber schon in der vierten Klasse eine extreme Bassstimme:
»Ey! Wat willze?«, fragte er dann. Ich wollte gar nichts. Aber ich musste mich
entscheiden. Prügel oder Schläge. Ich hätte auch sagen können: »Mann, jetzt
treibst du mich aber dialektisch-diskursiv in die Enge.« Aber der wollte gar
keine Antwort hören, die Frage war rein rhetorisch ... Eine Entscheidung hätte
er sowieso nicht verarbeiten können, er verfügte über zu wenig Arbeitsspeicher.
    Man hatte ständig die Wahl. Später musste ich mich zwischen
Petra oder Gerti entscheiden. Und gerade war die Entscheidung gefallen, da kam
Sabine um die Ecke. Oder Bodo. Dann war die Entscheidung klar: laufen. Das
funktionierte. Er lief auch wie eine Dampfwalze.
    Irgendwann dann drohten die ersten politischen Entscheidungen.
Da ging es ja bei mir in den ersten Jahren immer nur um Helmut Kohl gegen den
Rest. Kohl war gefühlte 100 Jahre Kanzler, ich habe erst mit 35 erfahren, dass
das auch ein anderer machen darf. Kohl zu wählen war natürlich völlig unmöglich.
Der erinnerte mich schon von der Statur her viel zu sehr an Bodo. Kohl guckte
auf dem Wahlplakat immer, als wenn er fragen wollte: »Wat willze?«
    Und jetzt muss ich mich wieder entscheiden. Die Entscheidung
ist nicht leicht. 29 Parteien stehen zur Wahl. Eigentlich ist für jeden etwas
dabei: die Partei bibeltreuer Ökologen etwa oder die lila-grün Karierten für
einen Marxismus-Leninismus mit spiritueller Prägung. Hier hat fast jeder
Schrumpfkopf seinen eigenen Verein. Für mich fehlt da nur noch eine Partei
cappuccinotrinkender Agnostiker, die dann mit der sozialliberalen
Warmduscherpartei koalieren könnte. Beim nächsten Mal vielleicht...
     
    Wie geht es weiter? 29. September 2009
    Die Wahlen sind gelaufen. Wie geht es jetzt weiter mit
unserem Land? Es sieht ja düster aus. Kaum haben die Koalitionsverhandlungen
begonnen, wird es Herbst. Das ist kein Zufall. Und ich kenne Leute in Berlin,
die sind gut informiert, die behaupten schon: Als Nächstes kommt der Winter.
Schrecklich!
    Viele haben Angst vor der schwarz-gelben Regierung! Man
hört schon allerorten: »Jetzt wird uns alles genommen!« Aber keine Panik!
Hunger ist nicht vorausgesagt. Wir hatten gute Ernten. Und vor allem die Ängstlichen
sollten wissen: Man kann im Blumenkasten auch Kartoffeln anbauen. Das Problem
ist, dass viele Leute gar nicht mehr wissen, wie man eine Kartoffel kocht. Die
leben von Tiefkühlpizza und wissen gar nicht mehr, woraus ihre Fritten gemacht
werden. Die glauben, die Pommes wachsen am Baum. In einer Plantage. Neben den
Raviolisträuchern.
    Nein. Ich glaube: Hunger wird es nicht geben. Bei uns
werden auch in Zukunft erheblich mehr Probleme mit Fettleibigkeit zu tun haben
als mit Hunger ... Was man in unseren Fußgängerzonen sieht, das sind ja keine
Hungerödeme, das sind immer noch ganz ordinäre Wampen. Also keine Panik...
    Ansonsten: Wie wird sich das Land verändern? Wird es in
Deutschland vorangehen? Auch im Europapokal? Dass wir mal wieder die Champions
League gewinnen? Wird das Klima wirklich wärmer? Können wir uns darauf
verlassen?
    Kriegen jetzt alle mehr Netto? Oder Brutto? Oder werden
Brutto und Netto jetzt so verrechnet, dass das Netto mehr Brutto und das Brutto
ein Teil vom Netto wird, damit mehr Netto vom Brutto nicht zu teuer wird? Und
was kostet es tara, wenn man in Kilogramm pro Dezibel rechnet? Und warum darf
der Steinbrück nicht weitermachen? Der würde in einer schwarz-gelben Regierung
gar nicht auffallen und man müsste das Büro nicht wieder neu streichen.
    Das ist ja das Problem, dass nach jedem Regierungswechsel
wieder überall gestrichen werden muss, obwohl angeblich kein Geld mehr da ist.
Können die nicht mal selber streichen? Da ruft man ein paar Freunde an, stellt
einen Kasten Bier und ein paar Eimer Farbe ins Auswärtige Amt, und los geht's.
    Programmatisch bin ich optimistisch. Es sollen jetzt aus
weniger Steuern weniger Schulden werden. Rechnerisch ist das nicht einfach. Eigentlich
gibt es da nur eine Möglichkeit: Wir drucken das Geld! Das machen die
Amerikaner ja auch. Und ab sofort werden die Scheine aus den Monopolyspielen
zum offiziellen Zahlungsmittel erklärt. Das ist ein Riesenbetrag, der die Binnennachfrage
ankurbeln wird.
    Die Linke hat es vorgemacht. »Reichtum für alle!«, haben
die gesagt. Und »Reichtum besteuern« stand auf dem Plakat daneben. Das heißt
also:
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