Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Novemberrot

Novemberrot

Titel: Novemberrot
Autoren: Markus Theisen
Vom Netzwerk:
kernig kräftigen Händedruck ausübte, hatte bei dieser Berührung den Eindruck, als umfasste er ein Stück warme, schlabberige Fleischwurst, welches beim Zudrücken zwischen seinen Fingern hindurch quoll. Mit leicht schmerzverzerrtem Gesicht zog Altmeyer daraufhin sein empfindliches Pfötchen hastig zurück und jauchzte, nachdem er das wahrscheinliche Corpus Delicti erspäht hatte, freudig erregt: »Ach und da ist ja das gute Stück!«
    Begierig darauf, den angepriesenen Hammer endlich aus der Nähe zu betrachten, klatschte er die halbvolle Tasse seinem Kumpel mit den Worten »hier halt mal« so unkontrolliert schnell vor dessen Brust, dass eine Ladung heißer Tee auf den Kittel des überrumpelten Kriminaltechnikers schwappte, der seinerseits diese tollpatschige Aktion mit ungläubigem Kopfschütteln quittierte. Anschließend war Weller an der Reihe.
    Noch gerade hielt er die durchsichtige Tüte fest in seiner Linken, da wurde sie ihm vom wieselflinken Kurator auch schon förmlich aus der Hand gerissen. Und was eine diebische Elster einmal in ihren Fängen hat, gibt sie so schnell nicht wieder her. Altmeyer beäugte den Hammer durch dessen schützende Verpackung von allen Seiten, ständig dabei Worte des Erstaunens und der Bewunderung für das Teil leise vor sich hin murmelnd: »Ja ja, mmh, so so, ja klar … schönes Stück, wirklich ein schönes Stück.«
    »Fast so euphorisch wie eben der alte Justus«, dachte Weller beim Anblick des vom Mordwerkzeug offensichtlich so faszinierten Kurators bei sich. Dann plötzlich sah Kaiser Wilhelm die beiden Männer mit schulmeisterlichem Blick von oben herab an und begann seine gewonnenen Erkenntnisse ausgiebig vorzutragen: »Das ist wirklich ein ausgesprochen schönes Stück, mal abgesehen vom ganzen Blut, das daran klebt. Aber ich kann zweifelsfrei behaupten, dass es sich hierbei um einen Pflasterer-Hammer handelt, mit denen die Steinmetze früher aus Basalt die sogenannten Katzenköpfe gehauen haben.«
    »Katzenköpfe?«, fragten Weller und der Lockenkopf unisono und sahen den ollen Wilhelm mit großen Augen an .
    » So nennt man eine spezielle Art des Kopfsteinpflasters, wegen dessen charakteristischer Form halt.« Der Kurator redete so, als wenn diese Tatsache zum selbstverständlichen Grundwissen eines jeden halbwegs gebildeten Erdenbürgers gehörte und fuhr dann gewohnt lehrerhaft fort: »Ich schätze das Exemplar auf gut 70 Jahre, aber jetzt kommt das eigentlich Interessante daran.« Er legte eine kleine schöpferische Pause ein, schaute den Lockenkopf und Weller mit leichtem Kopfnicken an und zog nun sein vermeintliches Ass aus dem Ärmel: »Damals kennzeichnete jeder Steinmetz seinen Hammer mit eigenen, meist recht simplen Einkerbungen, damit er das Werkzeug bei der tägliehen Arbeit, zum Beispiel im Steinbruch, leicht wiederfinden konnte. Doch der Besitzer dieses Teils war besonders ideenreich. Denn seine Symbole gehen weit über den Standard hinaus.«
    »Ja und, was kannst du erkennen?«, fragte der Lockenkopf interessiert .
    » Die drei Striche stehen höchstwahrscheinlich für drei Familienmitglieder … Vater, Mutter, Kind in der Regel, das habe ich bereits öfters gesehen. Aber das Zeichen daneben ist wirklich einzigartig. Das ist auch für mich neu … könnte einen Vogel darstellen … oder so was ähnliches vielleicht.« Der Kurator runzelte seine Stirn. Doch eine lange Zeit des Nachdenkens wurde ihm nicht gewährt. Denn jetzt war es Weller, der zur Revanche den Hochnäsigen mimte. Bittersüß grinsend klärte er den grübelnden Museumspezie zu dessen Erstaunen in wenigen, lapidar klingenden Sätzen auf: »Vogel, ist gar nicht so schlecht. Das ist ein Phoenix. Der ursprüngliche Besitzer war halt beeindruckt von dieser Sagengestalt. Ein Zeuge hatte es mir eben bestätigt.« Für einen kurzen Moment stand Kurator Altmeyer in seiner selbstgebatikten violetten Krawatte mit offenem Mund sprachlos im Raum. Nachdem er sich wieder gefasst hatte, fragte er verblüfft: »Wie haben Sie das denn heraus gefunden?«
    »Na sagen wir, ich erhielt eine Botschaft aus dem Jenseits«, antwortete der Kommissar und sah den Lockenkopf augenzwinkernd an .
    » Phoenix könnte sein, könnte sein!« Mit erhobener Stimme bestätigte Kaiser Wilhelm die Aussage des Polizisten, wenn er dies auch nicht gerne tat. Dann legte er den eingetüteten Hammer zu den übrigen Beweisstücken auf den Labortisch, verabschiedete sich, da er längst im Museum zurückerwartet würde, und machte sich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher