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Novemberrot

Novemberrot

Titel: Novemberrot
Autoren: Markus Theisen
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erschrockener Blick wandelte sich in wenigen Augenblicken in Erleichterung. Er blieb jedoch still. Nur seine Mimik verriet dem Kommissar, dass er begierig darauf lauerte, den Grund dessen Besuchs zu erfahren.
    Daher reichte Fritz dem Alten auch gleich sein Mitbringsel. Justus langte mit ausgestrecktem rechtem Arm schräg nach oben, angelte nach dem Trapez-Griff und zog sich daran in eine aufrechte Sitzposition. Beinahe ehrfurchtsvoll nahm er das eingepackte Werkzeug in seine Hände und betrachtete sich direkt die Innenseite des Hammerkopfs. Weller, der auf die Reaktion seines Gegenübers gespannt war wie ein Flitzbogen, sagte mit ruhiger Stimme: »Du kennst die Zeichen, nicht wahr?«
    Und obwohl es eigentlich ziemlich düster in der Kammer war, konnte er sich nun des Eindrucks nicht erwehren, dass die Augen des alten Mannes beim Anblick des gezeigten Gegenstandes plötzlich unbändig leuchteten und alles in ihrem Dunstkreis Befindliche in ihr wärmendes Licht zu tauchen schienen .
    » Der Hammer gehörte Michael Bergheim, stimmts?«, hakte der Kommissar nach. Die schiere Aufregung war Justus förmlich ins Gesicht geschrieben und sie steigerte sich innerhalb kürzester Zeit ins nahezu Unermessliche. Wie ein Kind, dem man eben ein Spielzeug geschenkt hatte, begann er vor Freude laut zu lachen. Sanft, fast zärtlich strichen dabei die Spitzen seinen dürren knochigen Finger über das eingetütete Werkzeug. Und beseelt jauchzte er: »Ja, der Feuervogel, glaubst du es jetzt. Er ist zurück, er ist zurück, wie er es mir damals versprochen hatte. Ich hab’s euch doch immer gesagt!«
    »Ja, das hast du.« Weller hatte sich unterdessen den einzigen Stuhl im Raum geschnappt, neben das Bett gestellt und hingesetzt .
    » Damals? Wann war damals?« Weller wurde hellhörig .
    » Weiß nicht mehr … ist schon lange her, als Michael fortging … Regen nur Regen … ich hatte mich hinter der Hecke versteckt und sah wie er mit dem Hammer den Heinrich erschreckte.« Justus blickte sich verstohlen um .
    » Hatte er ihn totgeschlagen?« Weller erinnerte sich wieder an die Briefe und die Aussagen der Kreismüller Frauen. Beide hatten sie schließlich auch schon versucht, die Ermittlungen der Polizei in die Richtung des wiedergekehrten Rächers zu lenken .
    » Tot? Nein! Der Heinrich fuhr danach mit dem Bulldog davon und ich bin Michael nachgelaufen.«
    »Na ja, war auch nur so ’ne Idee«, dachte Weller bei sich und begrub diese abstruse Mordvariante schnell wieder. Kurz darauf verstummte Justus, doch seine Augen strahlten noch immer vor Glückseligkeit und Zufriedenheit .
    » Du hattest uns die ganze Zeit über den richtigen Weg gewiesen, doch wir wollten einfach nicht auf dich hören«, murmelte der Kommissar kopfschüttelnd und blieb noch eine ganze Weile wortlos bei ihm sitzen. Vor seinem geistigen Auge hatte er nun die Bilder der ersten Begegnung mit der unheimlichen Schreckenskreatur, wie sie aus dem Gebüsch auf Tohns dunklem Parkplatz auf ihn zu gesprungen kam und ihn bis ins Mark erschrocken hatte.
    Weller konnte sich ein leichtes Schmunzeln beim Anblick der halben Portion nicht verkneifen. Doch so edel seine Absicht auch gewesen war, dem alten Justus diese eine, vielleicht die letzte Freude seines Lebens bereitet zuhaben, umso unumstößlicher reifte mit zunehmender Dauer in ihm die schmerzliche Gewissheit, dass Manfreds Mörder letztlich nur im Kreis der Familie zu finden waren. Und das hieße Rosi und … Sandra, seine Vielleicht-Tochter. Furcht gepaart mit Trauer verdrängte nun unbarmherzig das Glücksgefühl aus seinen Gedanken. Doch wiederum machte sich Fritz verzweifelt Mut: »Wie soll jemand anderes überhaupt in den Besitz des Hammers gelangt sein? Eigentlich Humbug, dass Steffi nochmal zum Motoradhändler gefahren ist. Na ja, was solls, einen Versuch ist es auf alle Fälle wert.« Justus hatte sich unterdessen wieder hingelegt. Das eingetütete Werkzeug seines alten Freundes noch immer mit beiden Händen umfassend, lag er da mit geschlossenen Augen. Er lächelte befreit, denn endlich hatte ihn jemand verstanden. So verrann die Zeit, bis gegen 13:30 Uhr die Zimmertür geöffnet wurde und die Pflegerin von vorhin den Raum betrat. Sie sagte leise zu Fritz: »Ich wollte eben nicht stören, aber so langsam müsste Herr Schmitz mal zu Mittag essen.«
    Der Kommissar nickte, zog das Bündel vorsichtig aus Justus’ Händen, fasste ihm zur Verabschiedung an die Schulter und verließ wortlos den Raum. Am Morgen des
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