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Notbremse

Notbremse

Titel: Notbremse
Autoren: M Bomm
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einziges Mal.
    Die planmäßige Ankunft des ICE 612 nach Dortmund war in Stuttgart 9.47 Uhr.
    Dem Mann im Freizeitjackett blieben jetzt exakt 56 Minuten. So lange brauchte der ICE bis Stuttgart.
     
    Tobias Lambert, jung-dynamischer Geschäftsführer des Ulmer Pharmaunternehmens ›Aspromedic‹, lächelte in sich hinein. Er lehnte sich auf seinem schwarzen Ledersessel zurück und öffnete das gepolsterte Kuvert, das ihm seine Sekretärin auf den Schreibtisch gelegt hatte. Kein Absender, wie immer. Aber mit dem Hinweis persönlich auf dem Adressenfeld. Wie vereinbart. Sie korrespondierten weder per Telefon noch per E-Mail. Sie durften keine Spuren hinterlassen.
    Lambert hatte mit dem Absender dieses Kuverts nach menschlichem Ermessen alle erdenklichen Vorsichtsmaßnahmen getroffen. Auch das Honorar wurde bar übergeben. Ohne Quittung. Der junge Manager hatte es innerhalb kürzester Zeit geschafft, ›Aspromedic‹ aus der Krise zu führen – und dies trotz der jahrelangen wirtschaftlichen Rezession. Dafür wurde das Unternehmen regelmäßig auch von überregionalen Medien positiv und beispielhaft hervorgehoben. Tobias Lambert, Mitte 30, hatte zwar von der Materie, die es zu verkaufen galt, wenig Ahnung, doch dafür war er ein brillanter Betriebswirtschaftler, der sein Studium an der Hochschule Nürtingen-Geislingen mit Bravour bestanden hatte. Für ihn zählten einzig und allein Fakten und Zahlen. Zwar hatte man ihnen während des Studiums zu verstehen gegeben, dass der Mensch nicht nur als Unkostenfaktor in die Kalkulation einfließen dürfe. Doch im Zeitalter knallharten Wettbewerbs, wenn in Südosteuropa die Arbeiter ausgebeutet wurden, war kein Platz »für soziales Gesülze«, wie Lambert es in den wöchentlichen Konferenzen mit seinen leitenden Angestellten auszudrücken pflegte. Er war angetreten, den Umsatz zu verdoppeln, was sich vertragsgemäß auch in seinem eigenen Portemonnaie deutlich auswirken würde. Bald würde er seine Villa im Tessin besitzen. Er war jedenfalls wild entschlossen, alles aus dem Weg zu räumen, was ihn an seinen Zielen hindern würde. Ein Geschäftsführer musste Stratege sein, musste wie ein Feldherr vergangener Zeiten unbeirrt vorgehen und, wenn es notwendig war, den einen oder anderen Bauern opfern – als sei alles nur ein gigantisches Schachspiel. Oder ein Monopolyspiel mit dem einzigen Ziel, sich in der sündhaft teuren Parkallee ein Hotel bauen zu können.
    Lambert kannte den Geschäftsführer der Konkurrenz nur zu gut. Er selbst hatte bei Rieders ›Donau Pharma AG‹ während seines Studiums ein dreimonatiges Praktikum absolviert und den »Alten«, wie man dort zu sagen pflegte, als üblen Choleriker kennengelernt, der seine Belegschaft einzuschüchtern vermochte. Lambert hatte jedoch auch gelernt, dass mit autoritärem Auftreten und einem Schuss Arroganz jeglichen Widersprüchen sofort Einhalt geboten werden konnte. Das half auch, eigene Unsicherheit und fehlende Fachkompetenz zu überspielen.
    Er drückte einen Knopf am Telefon und beugte sich vor. »Ich will die nächsten zwei Stunden nicht gestört werden«, betonte er und wandte sich wieder dem braunen DIN-A5-Kuvert zu, das mit Klebeband umwickelt war. Er schnitt es mit einer Schere auf und zog eine dünne CD-Hülle heraus, der er sogleich die silberne Scheibe entnahm. Wahrscheinlich, so dachte er in diesem Moment, würde man auf ihr nicht mal einen Fingerabdruck finden. Der Absender war schließlich ein Profi und mit allen Wassern gewaschen. Lambert legte die Scheibe in seinen Rechner ein. Sekunden später wurde auf dem Flachbildschirm das entsprechende Laufwerk angezeigt. Mit einem Mausklick öffnete Lambert die Datei und stellte zufrieden fest, dass ein langer Text dargestellt wurde. Auch hier kein Absender und nichts, was auf den Verfasser hindeuten konnte. Dieser hatte aber, wie vereinbart, wieder ausführlich Protokoll geführt und die neuesten Erkenntnisse geschildert. Lambert las den Bericht langsam, manche Sätze auch zweimal. Er war zufrieden damit. Alles lief offenbar genau nach Plan. Er fühlte sich bereits als Sieger. Sorgfältig entnahm er die CD und legte sie in die Plastikhülle zurück. Dann erhob er sich und ging zum Regalschrank hinüber. Dort schob er ein Schiebetürchen nach links, worauf ein in die Wand gemauerter Tresor zum Vorschein kam. Mit geübten Handgriffen stellte er an zwei Rädchen die entsprechenden Zahlenkombinationen ein, sodass sich die dicke Stahlklappe öffnen ließ. Diesen Tresor,
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