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Notaufnahme

Notaufnahme

Titel: Notaufnahme
Autoren: Linda Fairstein
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trafen mich an den Händen. Ich krachte mit der Stirn gegen die Tür. Ich stieß die Ellenbogen nach hinten und wehrte mich erbittert gegen den Angreifer hinter mir.
    Ich versuchte, mich umzudrehen, um meinen Peiniger zu sehen, in der Hoffnung, er möge zur Vernunft kommen, wenn er mir von Angesicht zu Angesicht gegenüberstand. Aber meine Füße verloren auf den Ordnern, die zu Boden gefallen waren, den Halt. Mein linkes Bein rutschte unter meinem Körper weg, und ich sackte auf die Knie. Im Fallen gelang es mir, mich umzuschauen. Es war Coleman Harper. Mit aller Kraft stieß er seine Faust gegen die Wand – an die Stelle, wo eben noch mein Gesicht gewesen war.
    Ich brüllte ihn an, er solle aufhören, doch er drückte mich mit dem Rücken auf den Boden und schwang sich rittlings auf mich. Um meine Schreie zu unterdrücken, stopfte er mir etwas in den Mund, das wie ein schmutziger Strumpf roch. Während er mir sein Knie in den Bauch stieß, schossen seine Blicke wild durch den Raum. Seine linke Hand lag auf meiner Kehle; mit der rechten umklammerte er meine beiden Handgelenke. Es schien, als suchte er nach einer Waffe, ohne noch zu wissen, welche es sein würde. Vielleicht hätte ich mich aus seinem Griff befreien können, doch mein Kopf hämmerte vor Schmerz, und ich entschied, meine Kräfte für das, was noch kommen würde, aufzusparen.
    Durch meinen Kopf jagten die Gedanken; fieberhaft überlegte ich, wie ich mich gegen seinen Angriff verteidigen konnte. Der einzige Mensch, der wusste, wo ich steckte – Mercer Wallace – war Stunden entfernt und ahnte nicht einmal, in welcher Gefahr ich mich befand. Wenn es mir nicht selbst gelang, mich aus Coleman Harpers Gewalt zu befreien, gab es keine Rettung.
    Während sein Blick über die Regale glitt, veränderte sich sein Gesichtsausdruck ständig; er schien abzuwägen, welcher der Gegenstände am geeignesten für einen schnellen Tod war. Ich hoffte inständig, dass er das teure Set scharfer Messer, das mir bei meinem ersten Besuch mit Mercer nebenan in der Küche aufgefallen war, nicht entdeckte. Ich betete, dass die Nachbarn ihren plärrenden Fernseher ausstellten, anstatt ihre Wohnung mit den. scheußlichen, auf antik getrimmten Keramiken zuzustellen, die der Verkäufer gerade anpries. Ich hoffte, dass sie den Kampf hörten, der sicher noch heftiger werden würde.
    Aus meiner Position am Boden konnte ich den Wandschrank sehen, in dem sich Harper versteckt gehalten hatte. Der Inhalt des Schranks war ebenfalls schon an die karitative Einrichtung weitergegeben worden, und so hatte das leere Möbelstück Harper ein ideales Versteck geboten. Wenn ich nur Mercer nicht angerufen und ihm von meiner Entdeckung berichtet hätte. Vielleicht hätte mich Harper dann unbehelligt gehen lassen.
    Bleib ganz ruhig, sagte ich mir immer. Er hat keine Waffe zur Hand, weil er nicht hierher gekommen ist, um jemanden umzubringen. Er hat nicht damit gerechnet, hier jemanden anzutreffen. Es ist nicht wie in der Nacht, als er Gemma in ihrem Büro aufsuchte, um sich dafür zu rächen, dass sie seine Karriere verhindert hatte.
    Ich schloss die Augen und wünschte mir nichts sehnlicher, als aus der Wohnung zu fliehen, doch als der Arzt das erste Wort an mich richtete, öffnete ich sie wieder.
    »Stehen Sie auf.« Seine Stimme zitterte nicht nervös wie damals, als ich ihn zum ersten Mal zu dem Mord an Gemma Dogen vernommen hatte, sondern klang scharf und schneidend. Er riss mich hoch und zerrte mich hinter sich her, und als die weiche Wolle meines Pullovers seinem festen Griff nicht standhielt und sich dehnte, packte er mich am Haar.
    Ich versuchte, den Wollsocken auszuspucken, so dass ich wenigstens mit ihm sprechen konnte, doch als er bemerkte, dass ich es beinahe geschafft hatte, stopfte er ihn mir noch tiefer in den Rachen.
    Ich bemerkte halbwegs erleichtert, dass er mich nicht in die Küche zerrte. Während durch meinen Kopf die schrecklichen Bilder von Gemmas verstümmelter Leiche jagten, war ich fast dankbar, dass er mich hinüber zu der Fensterfront schleppte.
    Als wir uns dem Schreibtisch näherten, gab er mich plötzlich aus seiner Umklammerung frei und griff nach dem Telefon. Ich konnte mir denken, dass er nicht vorhatte zu telefonieren. Er wollte mich mit dem Kabel erdrosseln.
    Ich war seine Todeskandidatin.
    Ich wartete, bis er sich quer über den Tisch beugte, um den Stecker aus der Buchse zu ziehen. Dann holte ich blitzschnell mit meinem linken Fuß aus und versuchte, mit dem
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