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Nosferatu 2055

Nosferatu 2055

Titel: Nosferatu 2055
Autoren: Carl Sargent & Marc Gascoigne
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aufgebrüht. Er hatte die erste Tasse halb ausgetrunken, als sie neben ihm ins Bett glitt. Echter Kaffee hin oder her, die andere Hälfte der Tasse war augenblicklich vergessen.
     
    Serrin blieb drei Tage. Julia war tagsüber nicht in der Wohnung, kehrte aber am späten Nachmittag mit den Büchern zurück, die er haben wollte. Offenbar war sie irgendwie an die Erlaubnis gekommen, sie über Nacht aus der Bibliothek auszuleihen. Abends fuhren sie in die Stadt zurück, wo sie hauptsächlich in der Gegend von East Riverside Spaziergänge unternahmen. Sie ging mit ihm in die Metropolitan-Oper und in Restaurants, wo sie gut und teuer speisten. Sie zahlte immer ihre Hälfte der Rechnung, eine Tatsache, die Serrin hätte zu denken geben sollen, es aber nicht tat.
    Währenddessen unterhielten sie sich unablässig wie an jenem ersten Morgen auf dem Campus. Im Laufe ihrer Gespräche beichtete Julia, daß sie sich ein wenig mit Schriftstellerei beschäftigte und eine aufstrebende Schauspielerin war. Nach allem, was sie erzählte, hielt er sie für eine dieser ewig Hoffnungsvollen, die in die Kunst hineinrochen und zur Enttäuschung verurteilt waren wie die meisten.
    Das einzige, was keinen völlig harmlosen Eindruck an Julia Richards machte, war ihre Sammlung von Büchern über das Okkulte. Besessenheit, Spuk, Gespenster, alle Standardthemen plus noch ein paar mehr. Sie hatte ein paar Kurse in Parapsychologie belegt und zeigte ihm das Rohmanuskript einer Geistergeschichte, an der sie gerade schrieb. Zu seiner Überraschung fand Serrin die Geschichte durchaus lesbar. Das Mädchen schien einen altmodischen Hang dafür zu haben, Szenon mit dem bestürzenden Hinweis auf unsichtbare, unbekannte, fremdartige Präsenzen zu schaffen, die gerade am Rande der Wahrnehmung des Lesers lauerten.
    »Dieses Interesse an Geistern... Hast du die Absicht, sie professionell zu jagen?« fragte er mehr im Scherz als im Ernst.
    »Ach, das ist nur ein altes Hobby«, sagte sie abwinkend, um anzudeuten, wie bedeutungslos das Thema war, und beließ es dabei.
    Doch von der Zeit an hatte Serrin das Gefühl, daß alles anders war. Es war nichts Bestimmtes, das sich verändert hatte. Es gab keine Szenen, keine größeren Mißverständnisse, nur eine Änderung der Stimmung und des Tonfalls. Sogar wenn sie sich liebten, wußte er, daß sie nicht mit dem Herzen dabei war. Zwar versuchte er, die subtile Kluft zwischen ihnen mit freundlicher Konversation zu überbrücken, aber der Magier fühlte sich zunehmend unbehaglicher.
    »Ich glaube, es ist besser, wenn ich mich verabschiede«, sagte er schließlich, wobei er an das alte chinesische Sprichwort dachte, daß sowohl Fische als auch Gäste nach drei Tagen zu stinken beginnen. Wenn er heute abend ging, würde er diesen vierten Tag vermeiden. »Es sieht so aus, als sei ich mit meinen Forschungen fertig, die ich ohne deine Hilfe nicht hätte beenden können. Ich werde es nicht vergessen.« Er war peinlichst darauf bedacht, nicht zu persönlich zu werden.
    »Ja, also, es hat Spaß gemacht, dich hier zu haben«, erwiderte Julia in aufrichtig klingendem Tonfall. Serrin war verwirrt, unsicher, welche tieferen Empfindungen unter der Oberfläche wogen mochten. Er beschränkte sich auf einen kurzen Abschied, wobei er sich alle Mühe gab, ihrem Blick auszuweichen.
    Sie erbot sich, ihn zum Flughafen zu fahren, doch er lehnte ab. Er war jedoch damit einverstanden, mit ihr zur Bibliothek zu fahren, weil er noch ein oder zwei Dinge nachschlagen mußte, bevor er nach Seattle zurückkehrte.
    »Nochmals danke«, sagte er, als er kurz vor der Bibliothek ausstieg. »Und vergiß nicht. Du hast meine Nummer. Solltest du mal irgendwas brauchen, zögere nicht. Du kannst mich jederzeit anrufen.«
    Julia sah für einen Sekundenbruchteil weg, und er fragte sich, was, um alles in der Welt, er jetzt wieder falsch gemacht hatte. »Tut mir leid«, sagte er nur noch, bevor der Wagen abrupt anfuhr. Er schüttelte den Kopf, nahm seinen Koffer und ging in die Bibliothek.
    Zwei Stunden später, als er das Material kopiert hatte, um dessentwillen er gekommen war, hörte er die Durchsage, daß die Bibliothek geschlossen wurde. Nachdem er auf einem der Büchereicomputer noch in aller Eile einen Blick auf die Flugpläne geworfen hatte, beschloß er, das Mitternachts-Shuttle zu nehmen, was ihm noch Zeit für ein anständiges Abendessen irgendwo in der Innenstadt ließ. Ihm war nicht danach, sein Glück irgendwo in Chinatown zu versuchen, also ging er
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