Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nosferatu 2055

Nosferatu 2055

Titel: Nosferatu 2055
Autoren: Carl Sargent & Marc Gascoigne
Vom Netzwerk:
im geringsten gekränkt zu sein.
    »Äh... und warum sind Sie gekommen, um mich abzuholen? Ich meine, was haben Sie sich dabei gedacht?«
    »Sie sind durchaus willkommen«, sagte sie schroff, dann wandte sie sich ab und verschwand in der winzigen Kochnische, aus der kurz darauf der durchdringende Duft von Kaffee verkündete, daß es sich nicht um Soykaf, sondern um das Original handelte. Mit dem Gefühl, sich flegelhaft benommen zu haben, stand Serrin auf, um ihr zu folgen, und verzog dann das Gesicht, als der vertraute Schmerz in seinem verkrüppelten Bein wieder zu pochen begann. Sie drehte sich um, und als sie den Ausdruck auf seinem Gesicht sah, wich ihre Gereiztheit augenblicklich Anteilnahme und Besorgnis.
    »Entschuldigen Sie«, sagte er. »Meine Manieren scheinen ebenso eingerostet zu sein wie mein Verstand. Ich weiß Ihr Erscheinen durchaus zu schätzen. Aber Sie können mir nicht verübeln, daß ich mir über das Warum Gedanken mache.«
    Sie füllte zwei Tassen, die sie auf ein Tablett stellte, das er ihr galant abnahm. Zum Kaffee gab es Brötchen, und Serrin hielt es durchaus für möglich, daß der geräucherte Lachs und der Streichkäse auf den Brötchen genauso echt waren wie der Kaffee.
    »Nun, es kommt nicht so oft vor, daß ich den Mann kennenlerne, der den Bürgermeister von New York vor einem Attentat bewahrt«, sagte sie in neckendem Tonfall. »Wenn das mein Interesse für Sie nicht geweckt hätte, was dann? Außerdem habe ich mich gefragt, was das für eine Person sein muß, die mehr gesehen hat als Knight Errant. Ich dachte mir, Sie müssen als Magier echt Sahne sein. Was ganz Besonderes.« Ihre Zunge leckte einmal über ihre perfekt geschwungenen Lippen. »Reicht Ihnen das?«
    Serrin konnte nicht sofort antworten, da er gerade an einem großen Bissen Brötchen kaute. Er schluckte krampfhaft, und schließlich gelang es ihm zu murmeln, er sei überhaupt nichts Besonderes.
    »Vielleicht... vielleicht auch nicht«, sagte sie leichthin. »Wo wohnen Sie?«
    »Im Grand Hudson.« Julias Augen weiteten sich ein wenig bei der Erwähnung eines derart teuren Hotels.
    »Warum tauchen Sie nicht ein paar Tage hier bei mir unter? Für alle Fälle. Zurück zur Columbia zu gehen, ist im Augenblick vielleicht keine so gute Idee. Ich könnte Ihnen alles besorgen, was Sie aus der Bibliothek brau chen. Ich habe alle erforderlichen Ausweise, und ich kenne auch einige der Bibliothekare.«
    Ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken, halb Erregung, halb ängstliches Mißtrauen. Alles geschah so schnell, so völlig aus heiterem Himmel. Er war zu erschöpft, um innezuhalten und nachzudenken. Julia Richards war jung und hübsch, und hier in der Wildnis der Vororte war er wahrscheinlich sicherer als in Manhattan. Und überhaupt, was hatte er schon zu verlieren? Nicht viel, soviel war klar. Dinge zu tun, weil es nicht viel zu verlieren gab, war jetzt schon seit einiger Zeit Serrins Modus vivendi. Das erleichterte die Entscheidungsfindung ungemein. Gewiß, er war ein Shadowrunner und hatte den gleichen feinen Überlebens- und Gefahreninstinkt wie seine ›Kollegen‹. Aber selbst ein erfahrener Runner und Elfenmagier konnte Fehler begehen, wenn er unter den Auswirkungen extremer Erschöpfung litt.
    »Äh... sind Sie sicher?« Sie nickte. Kein Druck. »Nun... äh... das wäre toll«, sagte Serrin. Dann fügte er rasch hinzu: »Ich bleibe nur noch ein paar Tage in New York.« Er versuchte sie wissen zu lassen, daß er ihr nicht zur Last fallen würde, wollte ihr aber auch unmißverständlich klarmachen, daß er nicht allzu lange bleiben würde. Er gab sich alle Mühe, ein Gähnen zu unterdrücken, und versagte kläglich.
    »Was Sie jetzt brauchen, ist erst mal Ruhe«, sagte Julia lächelnd. »Zum Gästezimmer geht es da entlang und dann nach links«, sagte sie.
    Serrin wünschte ihr eine gute Nacht, obwohl es zehn Uhr morgens war, dann wandte er sich in die angegebene Richtung, wobei er noch stärker hinkte als wohnlich. Das kleine Zimmer war dunkel, angenehm kühl und mit einem Bett, einem Nachtschränkchen und einem Stuhl einfach möbliert. Serrin machte sich nicht einmal mehr die Mühe, seine Kleider oder Stiefel auszuziehen, sondern sank dankbar aufs Bett und knautschte das Kopfkissen so unter seinem Kopf zusammen, wie er es mochte. Er schlief praktisch augenblicklich ein und erwachte erst um fünf Uhr am Nachmittag - und auch nur deswegen, weil Julia ihn sanft wachrüttelte; sie hatte wieder frischen Kaffee
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher