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Northanger Abbey

Northanger Abbey

Titel: Northanger Abbey
Autoren: Jane Austen
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Figur an Fülle. Ihre Liebe zum Schmutz wich der Freude am Putz, und im selben Maße, in dem sie reinlich wurde, wurde sie schmuck; es konnte jetzt geschehen, daß sie eine Bemerkung ihrer Eltern über ihr verbessertes Aussehen auffing. »Catherine macht sich immer mehr heraus, heute sieht sie fast hübsch aus«, waren Worte, die mitunter an ihr Ohr drangen; und wie willkommen war ihr dieser Klang!
Fast
hübsch auszusehen, das ist für ein Mädchen, das die ersten fünfzehn Jahre seines Lebens unscheinbar war, ein beglückenderes Kompliment, als es eine Schönheit von Kindesbeinen an jemals empfangen könnte.
    Mrs. Morland war eine sehr tüchtige Frau, die ihren Kindern gern alles mitgeben wollte, was sich für sie schickte, aber sie war so beschäftigt damit, zu gebären und ihre Kleinen zu unterrichten, daß die größeren Töchter wohl oder übel sich selbst überlassen blieben, und so verwunderte es nicht weiter, wenn Catherine, von der Natur nicht eben zur Heldin veranlagt, mit vierzehn lieber Kricket oder Schlagball spielte, ausritt oder über die Wiesen lief, als Bücher zu lesen – oder zumindest lehrreiche Bücher; denn solange nichts Nützliches darin stand, solange sie bloß Geschichten enthielten und keine Betrachtungen, hatte sie gegen Bücher durchaus nichts. Aber zwischen fünfzehn und siebzehn legte sie sich das Rüstzeugzur Heldin zu; sie las sämtliche Werke, mit denen Romanheldinnen vertraut sein müssen, um all jene Zitate im Gedächtnis zu haben, die ihnen in den Wechselfällen ihres bewegten Lebens eine so große Hilfe und ein so großer Trost sind.
    Von Pope lernte sie, diejenigen zu verurteilen, die

    »zur Schau nur tragen fälschlich’ Leid.« 4

    Von Gray, daß

    »Gar manche Blüte ungesehen erglüht
    Und ihren Duft in Wüstenlüfte strömt.« 5

    Von Thompson, daß

    »kein Amt so freudig ist,
    wie jungem Geistestrieb die Richtung weisen.« 6

    Und von Shakespeare erfuhr sie einen ganzen Schatz an Wissenswertem, unter anderem, daß

    »Dinge, leicht wie Luft,
    Der Eifersucht Beweise sind, so stark
    Wie Bibelsprüche«,

    daß

    »Der arme Käfer, den dein Fuß zertritt,
    Doch körperlich ein Leid fühlt, ganz so groß,
    Als wenn ein Riese stirbt«

    und daß eine verliebte junge Frau zwangsläufig dreinblickt

    »wie die Geduld auf einer Gruft,
    Dem Grame lächelnd.« 7

    Soweit waren ihre Fortschritte ganz zufriedenstellend – und auch in manch anderer Hinsicht gebührte ihr hohes Lob; denn wenngleich sie selbst keine Sonette schreiben konnte, überwand sie sich nun, sie zu lesen; und obwohl sie nicht hoffen durfte, eine ganze Abendgesellschaft durch ein selbstkomponiertes Prélude auf dem Pianoforte in Entzücken zu versetzen, konnte sie den Darbietungen anderer ohne allzu große Ermüdungserscheinungen lauschen. Ihr größter Schwachpunkt war das Malen – sie besaß keinerlei zeichnerische Begabung, nicht einmal genügend, um sich an einem Profil ihres Geliebten zu versuchen, auf daß darin ihre Hand zu erkennen sei. Auf diesem Gebiet verfehlte sie den Heldinnenstatus aufs kläglichste. Noch ahnte sie allerdings nichts von diesem Manko, denn es gab keinen Geliebten, den sie hätte porträtieren können. Sie hatte das Alter von siebzehn Jahren erreicht, ohne auch nur einen einzigen holden Jüngling erblickt zu haben, der ihren Busen in Wallung gebracht hätte, ohne eine einzige wahre Leidenschaft entfacht und mehr als die mäßigste und vorübergehendste Bewunderung erregt zu haben. Wirklich höchst rätselhaft! Aber Rätsel lassen sich im allgemeinen lösen, wenn nur die Umstände gründlich genug beleuchtet werden. Es gab nicht einen Lord in der Gegend, ja nicht einmal einen Baronet. Es gab nicht eine Familie in ihrem Bekanntenkreis, die auf ihrer Türschwelle ein Findelkind entdeckt und es aufgenommen und großgezogen hatte – nicht einen einzigen jungen Mann, dessen Herkunft im Dunkeln lag. Ihr Vater hatte kein Mündel, und der Squire der Gemeinde war kinderlos.
    Aber wenn eine junge Frau zur Romanheldin bestimmt ist, kann auch die Widernatürlichkeit von vierzig Nachbarsfamilien sie nicht aufhalten. Etwas muß und wird geschehen, um einen Helden ihren Weg kreuzen zu lassen.
    Mr. Allen, der Grundherr von fast ganz Fullerton, dem Dorf in Wiltshire, wo die Morlands wohnten, bekam gegen seine Gichtanfälle eine Kur in Bath verordnet; und seineGattin, eine gutartige Frau, die Miss Morland sehr mochte – und vielleicht ja erkannte, daß eine junge Dame, der in ihrem Heimatdorf
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