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Northanger Abbey

Northanger Abbey

Titel: Northanger Abbey
Autoren: Jane Austen
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ob durch ihre Kopflosigkeit, Vulgarität oder Eifersucht – ob dadurch, daß sie ihre Briefe abfängt, ihren Ruf ruiniert oder sie vor die Tür setzt.
    Mrs. Allen gehörte zu jener zahlreich vertretenen Kategorie weiblicher Wesen, deren Gesellschaft nur zu einem Gefühl Anlaß gibt: Verwunderung darüber, wie irgendein Mann auf der Welt sie lieb genug gewinnen konnte, um sie zu heiraten. Sie besaß weder Schönheit noch Geist, Lebensart oder Schliff. Ein damenhaftes Benehmen, viel freundliches Phlegma und ein kindisches Gemüt mußten ausreichen als Erklärung dafür, daß die Wahl eines vernünftigen, intelligenten Mannes wie Mr. Allen auf sie gefallen war. In einer Hinsicht jedenfalls eignete sie sich ganz eminent dazu, eine junge Dame in die Gesellschaft einzuführen, insofern nämlich, als sie vom selben Verlangen beseelt war, überall hinzugehen und alles zu sehen, wie nur irgendeine Debütantin. Kleider waren ihre Passion. Sie hatte eine unschuldige Freude daran, sich feinzumachen; und der Eintritt unserer Heldin ins Leben mußte warten, bis drei oder vier Tage damit verbracht worden waren, sich umzutun, was man derzeit so trug, und Catherines Beschützerin ein Kleid ihr eigen nannte, das dem neuestenSchick entsprach. Auch Catherine tätigte einige Einkäufe, und als alles fertig und bereit war, kam der große Abend, da sie erstmals die Upper Rooms betreten sollte. Ihre Haare wurden kunstgerecht geschnitten und frisiert, ihre Kleider von kundiger Hand angelegt, und sowohl Mrs. Allen als auch ihre Zofe versicherten ihr, daß alles an ihr so war, wie es sein sollte. Solcherart ermutigt hoffte Catherine, in der Menge zumindest nicht negativ aufzufallen. Bewunderung – nun, die würde ihr selbstredend willkommen sein, aber sie setzte nicht darauf.
    Mrs. Allen verwandte so viel Zeit auf ihre Toilette, daß sie erst spät in den Ballsaal kamen. Die Saison war in vollem Gange, der Saal gut gefüllt, und die beiden Damen zwängten sich hinein, so gut sie konnten. Mr. Allen für seinen Teil begab sich unverzüglich ins Kartenzimmer, und so waren sie in dem Gedränge ganz auf sich gestellt. Mit mehr Rücksicht auf die Unversehrtheit ihres neuen Gewands als auf das Wohlergehen ihres Schützlings bahnte sich Mrs. Allen ihren Weg durch den Pulk von Männern am Eingang, so rasch, wie die gebotene Vorsicht es zuließ; Catherine aber hielt sich dicht an ihrer Seite und hakte die Freundin so entschlossen unter, daß selbst die vereinten Kräfte einer schiebenden und stoßenden Menge sie nicht auseinanderzureißen vermochten. Sehr zu ihrer Verblüffung mußte sie jedoch feststellen, daß tiefer in den Saal vorzudringen keineswegs hieß, sich aus dem Gewühl zu befreien; es schien weiter drin eher noch zuzunehmen, während sie doch geglaubt hatte, wenn sie erst ein Stück von der Tür entfernt wären, müßten sie leicht Plätze finden und bequem den Tänzen zuschauen können. Aber dem war keineswegs so, und obgleich sie sich mit nicht erlahmendem Einsatz bis ans andere Ende des Saals durchkämpften, blieb ihre Lage auch dort die gleiche; sie sahen von den Tanzenden nichts außer dem hohen Federputz einzelner Damen. Dennoch gaben sie nicht auf – eine Hoffnung blieb ihnen noch; und dank eines unverminderten Aufgebots von Kraft undFindigkeit gelangten sie endlich in den Durchgang hinter der obersten Bankreihe. Hier war deutlich mehr Platz als unten, und so hatte Miss Morland freie Sicht auf die Gesellschaft, durch die sie sich unter solchen Gefahren einen Weg gesucht hatten. Es war ein prachtvoller Anblick, und zum ersten Mal an diesem Abend bekam sie das Gefühl, auf einem Ball zu sein; sie sehnte sich danach, zu tanzen, aber sie kannte keinen Menschen im ganzen Saal. Mrs. Allen tat alles, was sie in so einem Fall tun konnte, indem sie von Zeit zu Zeit behaglich sagte: »Ich wollte, du könntest mittanzen, meine Liebe – ich wollte, du fändest einen Partner.« Eine Weile fühlte ihre junge Freundin sich verpflichtet, ihr für diese Wünsche zu danken; aber sie wurden so oft wiederholt und blieben so völlig ohne Wirkung, daß Catherine es schließlich müde wurde und mit dem Danken aufhörte.
    Lange durften sie sich jedoch nicht an dieser so hart erkämpften Ruhe in luftiger Höhe freuen. – Schon bald brach alles zum Teetrinken auf, und sie mußten sich mit den anderen wieder hinauszwängen. In Catherine regte sich langsam doch leise Enttäuschung – sie war es leid, immerzu von Leuten angerempelt zu werden, deren
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