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Nocturne City 03 - Todeshunger

Titel: Nocturne City 03 - Todeshunger
Autoren: Caitlin Kittredge
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beschwor.
    Plötzlich ertönte ein ohrenbetäubendes Grollen, das einem anfahrenden Sattelzug glich und kleine Spalten in den Boden riss. Das Beben wurde auf einmal so intensiv, dass Donal sich an einer Engelsskulptur festhalten musste und ich zur Seite gegen einen Grabstein flog. Glücklicherweise landeten auch die beiden War Wolves auf der Erde, sodass ich plötzlich wieder frei war.
    Das Beben stürzte den Friedhof ins Chaos. Gräber öffneten sich, und Steine flogen in die Luft. Die Erdrisse beförderten sogar ganze Särge wieder zurück an die Erdoberfläche. Doch damit nicht genug: Bei einigen sprang mit einem berstenden Geräusch sogar der Deckel auf, und sie gaben ihren Inhalt frei. Ich klammerte mich an dem Grabstein neben mir fest und büßte dabei einige Fingernägel ein, weil mich die wilden Erschütterungen hin und her warfen.
    Im Zentrum des Chaos stand Donal und sah mit ruhigem Blick nach unten, wo sich direkt vor seinen Füßen eine Kluft im Boden auftat. Darunter wurden ein paar alte Kisten sichtbar, deren verrostete Nägel unter der Erschütterung ächzten.
    »Wiskachee!«, schrie er so laut, dass seine Stimme für einen Augenblick sowohl den Lärm des Erdbebens als auch den der Autoalarmanlagen und der einstürzenden Häuser von der Straße überdeckte. »Wiskachee! Komm!«
    Die Intensität des Erdbebens schwoll unglaublich schnell an, aber kaum hatte es seinen Höhepunkt erreicht, fand es ein abruptes Ende. Donal starrte nach wie vor auf den Spalt vor ihm, der mittlerweile eher einem bodenlosen Abgrund als einem Erdriss ähnelte. Etwas abseits sah ich Lucas’ reglosen Körper, und zwischen den aufgerissenen Gräbern lagen nun überall mehr oder weniger gut erhaltene Leichen herum. Es wirkte fast, als wären sie von einem gigantischen Hund auf Nahrungssuche ausgebuddelt worden. Überall in der Stadt jenseits des Hügels waren rotgolden glühende Brände zu sehen, und mit etwas Anstrengung konnte ich sogar die Hilferufe der Bewohner hören.
    »Enttäuscht?«, rief ich Donal zu. Ich konnte nur mit Mühe sprechen. Nachdem ich meine zitternden Hände endlich dazu gebracht hatte, den Grabstein loszulassen, massierte ich meinen Kiefer und befühlte die Beule, die ich mir beim Aufprall geholt hatte.
    »Keineswegs. Es ist genau wie ich es geplant habe«, antwortete er mit strahlenden Augen, in denen sich die Flammen über der Stadt spiegelten. Dann richtete er den Blick wieder nach unten. Aus dem Abgrund vor ihm reckte sich eine braune, knotige. Hand. An ihren Fingern prangten lange graue Nägel, die scharf wie Schlachtmesser zu sein schienen. Einen Augenblick später kam eine zweite Hand zum Vorschein, gefolgt von zwei Armen und einem Kopf mit wild abstehendem grauen Haar. Nach und nach kletterte eine unförmige Kreatur aus der Grabspalte, die grunzende Geräusche von sich gab und sich schließlich vor Donal aufrichtete.
    »Wiskachee«, murmelte Donal. Das Ding sog durch dünne, reptilische Nasenlöcher den Wind ein. Dann lachte es und legte dabei ein Gebiss frei, das selbst einen Wendigo vor Neid hätte erblassen lassen. Es war mit riesigen pechschwarzen Reißzähnen ausgestattet, die viel zu groß und zahlreich für seinen Mund waren und an den Spitzen wie rasiermesserscharfe Steakmesser aussahen.
    Um seine Füße krabbelte eine Horde Brakichaks, die nach und nach aus dem Abgrund emporkletterten. Mit zirpenden Geräuschen eilte einer nach dem andern in die Nacht hinaus.
    »Das ist alles?«, rief ich verächtlich und bemühte mich, so wenig wie möglich über das nachzudenken, was ich gerade sah. Sobald mein Gehirn versuchte, die Situation zu verarbeiten, würde ich in Panik ausbrechen, so viel stand fest – und Panik bedeutete den Tod. »Das ist dein Hungergott? Sieht aus wie ein zu groß geratener Gartenzwerg. Ich denke, er würde sich ganz gut zwischen meinen Rosenbüschen machen.«
    Donal lachte lautlos und mit bebenden Schultern. »Die da«, sagte er zu Wiskachee. »Du kannst sie haben.«
    Aufgerichtet reichte mir Wiskachee höchstens bis zum Schlüsselbein, mit seinem schmutzig grauen Haar maximal bis an die Nasenspitze. Er hatte lange Arme, hängende Schultern und einen Kugelbauch. Seine strahlenden pechschwarzen Augen erinnerten mich an die Dämonen, die in der Vergangenheit meinen Weg gekreuzt hatten, aber Wiskachee war kein Dämon. Die Kraft unter seiner verschrumpelten Haut mochte groß sein, aber dämonischen Ursprungs war sie nicht. Nachdem Donal ihn auf mich angesetzt hatte, setzte
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