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Noch nicht mal alleinerziehend

Noch nicht mal alleinerziehend

Titel: Noch nicht mal alleinerziehend
Autoren: Dunja M Pechner
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eigentlich viel, viel mehr von dir wissen«, unterbrach er ihre Gedanken.
    »Was möchtest du denn wissen?«
    »Also, ich weiß, dass du wunderschön bist, maravillosa. Und dass du Pause machst von der vielen Arbeit. Aber was machst du gerne? Was magst du? Und was magst du nicht? Wie ist deine familia? Hast du Geschwister? Tiere? Was bringt dich zum Lachen? Wann bist du glucklich? Ich möchte alles von dir wissen, Nora. ¡Todo!«
    Die nächsten Stunden verbrachten sie damit, vor dem offenen Kamin ihre Lebensgeschichten auszutauschen. Nora erzählte von ihren Eltern und von ihrem Elternhaus, das ihr Vater, ein Architekt, selbst entworfen und geplant hatte. Von ihren Geschwistern, wie sie groß geworden war. Von ihrem Job, ihrer Auszeit und ihren Freunden. Er erzählte von seiner Kindheit in Argentinien, wie er außerhalb von Buenos Aires als einziger Junge mit fünf Schwestern auf einer riesigen Farm aufgewachsen war. Seiner Familie gehörte irgendeine Supermarktkette da drüben. Er war in England und der Schweiz aufs Internat gegangen und sprach fünf Sprachen: Spanisch, Englisch, Französisch, Italienisch und Deutsch. Wenn er von seiner Heimat sprach, strahlten seine Augen voller Wärme und Liebe. Nora fand das ungemein anziehend.
    Es war fast ein Uhr nachts, sie hatten sich in Decken eingekuschelt, als sie auf der Couch ein bisschen näher zu ihm rutschte. Er schaute sie an. »Du bist so schön!«
    »Ich bin vor allem ziemlich alt, also, im Vergleich zu dir!«
    »Unsinn! Du bist wunderschön.« Er strich mit der Hand sanft das Haar aus ihrem Gesicht. »Ich kann nur von mir sprechen, aber ich würde dich so gerne …«
    »Das möchte ich schon den ganzen Abend.« Nora rutschte noch näher an ihn ran und küsste ihn.

W illst du etwas trinken? Einen Hibiskustee oder einen Brennnesseltee?!«
    Es war Montag, und Nora hatte ganz spontan nach dem Einkaufen einen Stopp bei ihrer Freundin Nina eingelegt. Sie hatte Nina ewig nicht gesehen. Eine Zeit lang waren sie mal unzertrennlich gewesen. Wenn sie sich nicht sahen, telefonierten sie täglich. Heute war das anders: Mit Nina ein Treffen auszumachen, war vergleichbar aufwendig wie die Planung des nächsten G8-Gipfels. Nina war vor vier Monaten Mutter geworden, seitdem drehte sich so ziemlich alles um ihren Sohn Stefan. Nora fand das o. k., schließlich war es Ninas erstes Kind, und da musste sie erst mal »reinwachsen«. Das kannte Nora von ihren Geschwistern. Aber was dies tatsächlich bedeutete, war Nora schleierhaft. Sie hatte immer gedacht, solange Babys nicht laufen und sprechen können, bestünde der Tagesablauf der Winzlinge aus Gefüttert-Werden und Schlafen. Eine ziemlich entspannte Zeit für die Mütter also. Aber dem schien nicht so zu sein. »An manchen Tagen schaffe ich es nicht mal unter die Dusche«, hatte Sophie ihr mal erzählt.
    »Warum?«, hatte Nora gefragt.
    »Wie ›warum‹? Sobald Jules die Augen aufmacht, bin ich voll beschäftigt: füttern, Bäuerchen machen, wickeln, aufräumen, wieder füttern, wickeln, kochen, einkaufen, spazierengehen, und dann will er ja auch noch bespaßt werden.«
    Wie bespaßt man wohl ein Baby, das eigentlich nur auf dem Rücken oder dem Bauch liegen kann?, hatte Nora damals überlegt.
    Nina sah heute ebenfalls so aus, als hätte sie es noch nicht unter die Dusche geschafft. Sie trug einen grünen Niki-Hausanzug mit milchigen Flecken, graue Filzpantoffeln, ihre hellblonden Locken waren zu einem wüsten Dutt zusammengebunden, und ihr Gesicht sah irgendwie grau aus. Vielleicht sogar ungewaschen.
    »Wüüüüüääääääääh«, krähte es aus der Wiege, die im Wohnzimmer stand und über der ein lustiges Mobile mit allerlei Tieren aus der Wüste baumelte.
    »Oh, ich muss mal kurz«, sagte Nina und huschte hektisch aus der offenen Küche Richtung Wiege. »Du weißt ja, wo alles steht. Mach dir einfach Wasser heiß, ja?! Der Hibiskustee steht da vorne, an der Spüle.«
    »Seit wann trinkst du denn so etwas?«, fragte Nora und lies den Blick suchend durch die silberne Stahlküche wandern. Fläschchen, Aufsätze, Nukkis, Gläschen – unzählige Babytools standen wie eine Armee aus Zinnsoldaten auf den Ablageflächen aufgereiht.
    »Wozu braucht Stefan denn zwölf Nukkis?«
    »Na hör mal, kannst du dir vorstellen, wie viel Zeit ich damit vergeude, nach Nukkis zu suchen? Immer, wenn man einen braucht, ist keiner griffbereit … Oh Süßer, was hast du denn? Bauchschmerzen?«
    Nina hatte ihren Sohn aus der Wiege genommen und ging
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