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Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut
Autoren: Merle Robert
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Ihr das gehört? Ha, und welch schandbaren Hinterhalt man mir gelegt hatte!«
    Worauf alle drei ernst mit den Köpfen nickten, Fröhlich inbegriffen, obwohl er von den okzitanischen Reden nichts verstanden hatte und seine blauen Augen sowieso an der Gänsepastete hingen.
    »Pfarrer!« sagte ich, »setz dich auf den Schemel hier ans Tischende, und du, Jacotte, hol das Schreibzeug deines Herrn, aber flink, Gevatterin, beeil dich! Ihr nach, Miroul, wie ihr Schatten …«
    |22| Was er tat, nur daß der Schatten Hände hatte, die sich an diesem Leib zu gern vergriffen hätten, aber mein Zorn war davor, zappelte doch Zange ganz aufgeregt in der Furcht, daß man seiner »Curotte« ans Mieder gehen könnte, ohne daß er freilich den leisesten Einspruch wagte.
    »Pfarrer«, sagte ich, als die Utensilien beisammen waren, »kannst du schreiben?«
    »Was dachtet Ihr!« sagte Zange und reckte wieder sein Haupt.
    »Lateinisch?«
    »Das weniger«, räumte er ein. »Messe und Gebete spreche ich lateinisch, aber das Schreiben bin ich nicht gewöhnt.«
    »Ich diktiere dir.«
    Daraus wurde nichts, zu mangelhaft war seine Orthographie. Also verfaßte ich mit eigener Hand die Taufbescheinigungen für Samson und mich, und er schrieb sie ab, ganz artig, ganz in Schweiß gebadet vor Mühsal (der Schweiß troff von seiner großen Nase herab), doch nicht, ohne bei dem die Messe betreffenden Absatz aufzumucken.
    »Moussu«, sagte er auf französisch (vielleicht, damit Jacotte ihn nicht verstand), »das stimmt nicht: Ihr hört keine Messe und Euer edler Bruder auch nicht.«
    »Wir hören sie, wenn du diesen Sonntag auf Mespech die Messe liest.«
    »Einmal!« sagte Zange, wie erschrocken, daß er mir widersprach.
    »Hier steht ja nicht, daß wir sie immer hören.«
    »Ah, richtig«, sagte Zange, obwohl er von dem lateinischen Text höchstens die Hälfte verstand.
    »Jacotte«, sagte ich auf okzitanisch, als ihr Herr sein Pensum beendet hatte, »du wirst, wenn nötig, bezeugen, daß der Herr Pfarrer von Marcuays all dies ohne Zwang und Bedrohung geschrieben hat wie auch ohne Schmiergeld, sondern ganz freiwillig, aus freien Stücken.«
    »Ja, ja«, sagte Jacotte.
    »Und, Jacotte«, sagte ich, in meinem Beutel wühlend, »hier sind zwei Sous, um dich über gehabte Unannehmlichkeiten zu trösten.«
    »Besten Dank auch, Moussu, aber keine Ursache«, sagte Jacotte mit einem Blick über ihre Schulter, denn noch stand |23| Miroul hinter ihr, die Hände auf ihren Hüften, die ebenso breit waren wie ihr Kreuz und ebenso drall wie ihr Busen, dabei von fettem Bauch keine Spur, weil sie bestimmt nicht wie ein löchriger Stiefel trank, so wie ihr Herr, und vom frühen Morgen bis in die Nacht rackerte, und in der Nacht auch noch, wie es hieß, dann aber zu ihrer großen Befriedigung.
    »Pfarrer«, sagte ich, indem ich die beiden Urkunden in mein Wams steckte, »mit diesen beiden Schreiben, die nichts wie die reine Wahrheit besagen, hast du wettgemacht, was du unter Zwang gelogen hast.«
    »Moussu«, sagte Zange, noch ganz in Schweiß gebadet von der Aufregung, aber mit schon festerer Stimme, »ich wäre sehr glücklich, wenn Ihr wie auch Euer Herr Vater mir wegen dieser unseligen Aussagen nicht mehr allzu übel wolltet.«
    Worauf ich aufstand und, damit er sich nicht zu sicher fühle, ihm den Rücken kehrte, um meine Stiefel vors prasselnde Feuer zu halten. Wahrlich, dachte ich dabei, der Strolch knappst nicht mit seinem Holz wie die Herren Brüder, dem versorgt seine Herde den Holzstoß mit Bündeln, den Weinkeller mit Wein, den Bratspieß mit Wildbret, die Speisekammer mit Pasteten! Denn in dieser Gemeinde wie auch in Taniès gab es kein Schäflein, das sich, zusätzlich zur alljährlichen Zehnten-Schur, nicht Monat für Monat noch selber schor, um seinen Hirten zu nähren: Für ein paar Paternoster lebte der Scheinheilige wie die Ratz im Käse, den Buckel am Feuer, den Bauch am Tisch und die Jacotte im Flaumpfühl. Ach, wie es mir stank, daß ich nicht umhinkam, den Schnappsack auch noch zu schmieren, aber zweifellos war er hier Auge und Ohr des Sarladischen Bistums, wohin er sich einmal pro Woche begab, sei es auf einem Bauernkarren, sei es auf seinem Maultier. Und ich wollte beileibe nicht, daß er meine lateinischen Schriftstücke dort mündlich bestreite.
    »Pfarrer«, sagte ich, »wie ich höre, ist die schöne Statue der gebenedeiten Jungfrau in der Kirche von Marcuays ganz abgeblättert von den vielen Berührungen der Andächtigen.«
    »So ist es,
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