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No Copyright. Vom Machtkampf der Kulturkonzerne um das Urheberrecht. Eine Streitschrift. (German Edition)

No Copyright. Vom Machtkampf der Kulturkonzerne um das Urheberrecht. Eine Streitschrift. (German Edition)

Titel: No Copyright. Vom Machtkampf der Kulturkonzerne um das Urheberrecht. Eine Streitschrift. (German Edition)
Autoren: Marijke van Schindel , Joost Smiers
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allein aufgrund dieser Hinzufügung, so bewundernswert sie sein mag, das gesamte Werk mit einem Eigentumstitel zu belegen. Das sich daraus ergebende Recht hat nämlich weitreichende Konsequenzen. Niemand außer dem Eigentümer darf das Werk dann noch nach eigenem Gutdünken nutzen oder verändern. Über kurz oder lang wird dadurch ein beträchtlicher Teil des Materials, mithilfe dessen wir miteinander kommunizieren, »weggesperrt«. Ein Unterhaltungs-Konzern mag eine bestehende Fabel aufgreifen, macht daraus ein eigenes Produkt (z. B. einen Film oder ein Spiel) und untersagt dann, dass jemand anderes wiederum mit oder aus diesem Material eine neue, andere Variation erstellt. Wir werden also dazu verurteilt, passive Konsumenten zu sein, die Kommunikation wird eingefroren. Sich von bereits existierenden Werken inspirieren zu lassen, ist meist kein Problem. Aber wehe, wenn irgendetwas an dem neuen Werk, und sei es nur ein winziges Detail, an das frühere erinnert oder auch nur daran erinnern könnte.
    Warum ist das so? Künstlerische Schöpfungen drücken Gefühle aus, etwa Freude oder Kummer. Wir sind ständig umgeben von Musik, von Filmen, von allerlei Bildmaterial und von theatralischen Darstellungen. Der eine verschmäht, was der andere anregend findet. Unser künstlerisch-kulturelles Terrain ist kein neutrales Gebiet. Es ist oft Schauplatz von Konflikten und Meinungsdifferenzen: Man streitet darüber, was schön oder hässlich ist, was prägnant oder undeutlich ausgedrückt ist. Wir lassen uns von Kunst in Hochstimmung versetzen, aber auch in Verwirrung. Fragen, die dabei eine Rolle spielen, lauten: Wer darf darüber bestimmen, welche Kunst uns im Überfluss erreicht und welche nur häppchenweise? In welchem Umfeld nehmen wir sie wahr? Wie wird sie finanziert? Wessen Interessen stehen dahinter? Die Antworten auf solche Fragen sind von entscheidender Bedeutung für die kulturelle Umgebung, in der wir unsere persönliche Identität entwickeln. Weil Kunst besonders ausdrucksstark ist, hinterlässt alles, was wir sehen, hören und lesen, deutliche Spuren in unserem Bewusstsein.
    Ausgerechnet dieser für unser persönliches und gesellschaftliches Leben so sensible Bereich ist mit Urheberrecht belegt, mit Copyright. Wie bereits erläutert, handelt es sich dabei um ein Eigentumsrecht. Der Rechteinhaber kann allein darüber bestimmen, was mit dem Werk gemacht werden darf. Niemand außer ihm darf Veränderungen daran vornehmen. Wir anderen dürfen dem Werk also zum Beispiel nicht widersprechen. Wir dürfen es auch nicht in neue Kontexte stellen, die wir vielleicht für besser geeignet halten.
    Von einem Dialog kann unter diesen Voraussetzungen keine Rede sein. Im Gegenteil, wir werden mehr oder weniger mundtot gemacht. Die Kommunikation wird einseitig von einer Partei beherrscht, nämlich vom Eigentümer. Er ist der Einzige, der dem künstlerischen Material durch seine Ausgestaltung eine Bedeutung verleihen kann und darf. Andere Künstler oder wir als Rezipienten dürfen es bloß konsumieren und uns unseren Teil dazu denken. Für eine demokratische Gesellschaft ist das zu wenig.
    Deshalb hat die Rechtswissenschaftlerin Rosemary Coombe daran erinnert, dass »eine wesentliche menschliche Begabung darin besteht, Bedeutung zu konstruieren, zu hinterfragen und zu transformieren. Wenn das stimmt, dann sind wir auf dem besten Wege, uns zu entmenschlichen, indem wir eifrig überall geistigen Eigentumsschutz anwenden und ihn immer mehr ausweiten. Dialog lebt von wechselseitiger Kommunikation und von der Möglichkeit, auf Zeichen mit diversen anderen Zeichen zu reagieren. Was ist das für ein Dialog, bei dem wir mit Botschaften überschüttet werden, auf die wir nicht antworten dürfen? Mit Zeichen und Bildern, deren Bedeutungskonstruktionen wir nicht ins Kreuzfeuer der Kritik nehmen können? Mit Konnotationen, die wir nicht anfechten dürfen?« (Coombe 1998: 84 f.)
    Wahrscheinlich würde Rosemary Coombe nicht so weit gehen, das Eigentumsrecht an künstlerischem Material als eine Spielart der Zensur zu bezeichnen. Wir schon. Uns liegt es offenbar noch schwerer im Magen als ihr, dass mittlerweile ein großer Teil unserer Ausdrucksformen privatisiert ist: durch Monopole, die andere ausschließen.
    Wenn wir hier an Zensur denken, liegen wir nicht ganz falsch. An der Wiege des Copyrights stehen die Privilegien, die Queen Mary 1557 in England der Gilde der stationers verlieh. Deren Mitglieder hatten großes Interesse an einem Monopol auf
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