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Titel: nmp12
Autoren: Unknown
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Mai 1956.
     
    UNFALL AUF DER FOIRE DU TRÔNE
    JUNGES MÄDCHEN STÜRZT VON
ACHTERBAHN
     
    Geneviève Lissert, ein junges
Mädchen von 19 Jahren, wohnhaft Rue Tourneux, 12. Arr., saß gestern...
    Ich lese den Artikel und die
der folgenden Tage. Viel erfahre ich nicht. Ich notiere mir die Adresse von
Geneviève Lissert. Für die interessiere ich mich besonders.

Die
Behinderte von der Rue Tourneux
     
     
    Die Rue Tourneux ist eine
abschüssige Straße zwischen der Rue Claude-Decaen und der Avenue Daumesnil. An der
Ecke zur Avenue wohnt Geneviève Lissert. Ich erkundige mich bei der Concierge.
Dann gehe ich über eine Treppe mit braunem Teppich in die dritte Etage. Eine
Visitenkarte hängt an der Eichentür. Monsieur und Madame Jean Lissert und
Tochter. Ich drücke auf den blanken Klingelknopf. Eine noch junge Frau mit
schneeweißen Haaren öffnet mir. Sie ist offensichtlich frühzeitig gealtert.
    „Guten Tag, Madame. Madame
Lissert?“
    „Ja, Monsieur. Was wünschen
Sie?“
    Ihre Stimme ist leise, wie ein
Hauch.
    „Es ist nicht ganz einfach.
Also, ich würde gerne In den Zeitungen von damals stand nicht, daß das junge
Mädchen ihren Verletzungen erlegen war. Aber man kann nie wissen. Egal. Ich
wage mich vor:
    „Ich würde gerne mit
Mademoiselle Lissert sprechen. Geneviève Lissert. Ihre Tochter, nehme ich an?“
    „Ja, Monsieur. Worum geht es?“
    „Also... äh... entschuldigen
Sie bitte... ich möchte ihr ein paar Fragen stellen über diesen tragischen
Unfall, letztes Jahr...“
    Das Gesicht von Madame Lissert
verkrampft sich schmerzhaft. „Hier, meine Karte.“
    Sie liest.
    „Nestor Burma“, sagt sie.
„Privatdetektiv. Ich habe Ihren Namen heute mittag in
der Zeitung gelesen. Treten Sie ein, Monsieur.“
    Ich folge ihr in ein kleines,
gemütlich eingerichtetes Zimmer. Madame Lissert sieht mich interessiert an.
    „Sie haben auch einen Unfall
gehabt, nicht wahr?“ bemerkt sie.
    „Besser gesagt, mir ist an
derselben Stelle etwas passiert wie Ihrer Tochter. Deswegen wollte ich mit ihr
reden. Ich führe eine Art privater Ermittlung durch. In rein persönlichem
Interesse. Sie können mich also wie einen lästigen Besucher behandeln und mir
eine Begegnung mit Ihrer Tochter verweigern. Wenn Sie meinen, es könnte sie
sehr stören...“
    „Vielleicht kann ich Ihre
Fragen beantworten. Gigi ist nicht... es fällt ihr sehr schwer, darüber zu sprechen.
Was wollen Sie denn wissen?“
    „Wie es zu dem Unfall gekommen
ist. Ich habe die Meldungen in der Presse von damals gelesen. Aber im allgemeinen wird das immer mehr oder weniger verfälscht. Nur
Ihre Tochter...“
    „Sie hat selbst nie richtig
gewußt, wie das damals passiert ist“, unterbricht mich die Mutter mit
erstickter Stimme. „Sie saß in dem Wagen der Achterbahn, mit Freunden. Hat sich
wohl hinausgelehnt... und ist im Krankenhaus wieder aufgewacht. Mit gebrochener
Wirbelsäule, Monsieur. Und geistig nicht mehr normal, ganz und gar nicht
normal. Es hat monatelang gedauert, bis sie wieder in Ordnung war, sprechen
konnte, ihre Gedanken zusammenbringen und so. Mein armes Mädchen! Aber sie
konnte nie genau sagen, wie das passiert ist. Allerdings... wir sprechen auch
nie mehr darüber...“
    Tränen laufen über das
vorzeitig verwelkte Gesicht. Madame Lissert sieht mich mit einem seltsamen
Leuchten im Blick an. Ihre zarte Hand legt sich auf meinen Arm. Krampfartig
knetet sie den Stoff der Jacke.
    „Glauben Sie, Monsieur, glauben
Sie... daß das kein Unfall war?“
    „Ich weiß es nicht, Madame.“
    „Wenn es der Mann war... dieser
Mann...“
    Ihr Schluchzen geht in eine Art
Heulen über. Fast das Brüllen eines wilden Tieres:
    „...der Mann, der Sie... wenn
der auch mein Mädchen .. „Wenn er’s war, hat er dafür bezahlt, Madame. Sehr
teuer. Aber nichts deutet darauf hin, daß Ihre Tochter nicht nur einen
einfachen, furchtbaren Unfall hatte. Das hat die Polizei auch gesagt, oder? Tut
mir leid, daß ich Sie auf diesen Gedanken gebracht habe.“
    Sie sieht mich jetzt mit den
Augen einer Wahnsinnigen an. Und tatsächlich, sie ist nicht mehr zu bremsen:
    „Wenn es dieser Mann war...
wenn er Komplizen hatte... Kommen Sie, Monsieur. Sehen Sie, was die aus meinem
armen Mädchen gemacht haben!“
    Sie zieht mich ins Nebenzimmer.
Die Fenster gehen auf die Avenue Daumesnil. Wenn man sich etwas hinauslehnt,
kann man links bestimmt den Brunnen mit den Bronzelöwen sehen. Den Löwenbrunnen
mitten auf der Place Félix-Eboué, ehemals Daumesnil, vor-ehemals
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