Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
nmp06

nmp06

Titel: nmp06
Autoren: Unknown
Vom Netzwerk:
Bergougnoux alias Germain Saint-Germain vor der Theke stehen. Den Schriftsteller natürlich, nicht seinen Kopf. Ich versuchte, mich unbemerkt vorbeizudrücken. Denkste! Er erblickte mich und rief:
    „Mein lieber Freund, wenn Sie schon mal hier im Viertel sind, dann scheint’s Ihnen wohl zu gefallen, hm?“
    Seine grauen Augen hatten einen ungewöhnlichen Glanz. Er wandte sich dem Kerl rechts neben ihm zu. Sie tranken sozusagen aus demselben Glas.
    „Mein lieber Rémy“, sagte der Schriftsteller und zeigte auf mich, „das ist ein alter Freund aus einer großen Zeit. Nestor Burma, Privatdetektiv.“
    „Detektiv? Ach du Scheiße...“, entfuhr es dem andern.
    Er versuchte gar nicht, seine Gefühle zu verbergen. Sein Gesicht machte gar keinen so offenen Eindruck. Ein junger Mann, der nie genug Schlaf kriegte. Aufgedunsen und fett, wachsbleich, fiebrige Augen. Die Nase dick, rund und behaart. Zitterte ständig. Darunter gierige rote Lippen. Die schwarzen Haare waren straff zurückgekämmt, reichten ihm bis in den Nacken. Wie alle hier trug er Bluejeans und kariertes Hemd, aufgeknöpft, darüber eine weite amerikanische Jacke mit Lederflicken an den Ellbogen. Diesen Aufzug sah man häufiger bei ganz bestimmten Stammgästen in Bars.
    „Oh!“ protestierte der Schriftsteller. „Nestor Burma ist kein Detektiv wie jeder andere. Er kann sehr amüsant plaudern. Und außerdem ist ein Privatdetektiv kein Flic…“
    „Trotzdem guten Abend“, knurrte der Bursche und streckte mir seine weiche Hand hin. „Hier im Viertel muß man wohl mit allem rechnen, hm?“
    Und ob! Ich zum Beispiel war auf eine Leiche gestoßen. Inzwischen machte Germain Saint-Germain uns weiter miteinander bekannt. Ich hörte so was wie „Dichter“, dann einen Namen. Grindel oder so ähnlich. Der richtige Name meines verstorbenen Freundes Paul Eluard. Ich fragte, ob er mit ihm verwandt sei.
    „Wie kommen Sie denn auf Grindel?“ fragte der Schriftsteller. „Brandwell. Rémy Brandwell. Wie der Bruder von Emily Brontë.“
    „Ah ja“, sagte ich.
    Bruder von Emily Brontë oder Cousin von Paul Eluard, was ging’s mich an?
    „Sehr schön“, machte ich weiter. „Das Vergnügen ist ganz auf meiner Seite. Aber jetzt entschuldigen Sie mich bitte. Ich muß zu meiner Begleiterin zurück
    „Vielleicht sieht man sich später noch“, säuselte Saint-Germain. „Bei mir findet gleich eine kleine Party statt... Wenn Ihnen der Sinn danach steht „Ja, vielleicht.“
    Ich verließ die beiden Künstler und ging zurück zu Marcelle. Natürlich war mein Platz nicht mehr frei. Aber man rückte etwas näher zusammen, und dann paßte es wieder. Marcelle rauchte wie ein Schlot und soff wie ein Loch. Wunderbar! Die Jazzmusik dröhnte immer noch durch den Keller. Plötzlich aber verstummte sie. Ein schlaksiger Kerl kletterte auf einen Tisch, schlecht rasiert, in Bluejeans und Unterhemd. Sah aus wie ein Kellner im Dampfbad. Seine Bitte um Ruhe wurde ihm nur zum Teil gewährt. Immerhin herrschte Zimmerlautstärke.
    „Und nun“, schrie er, die Hände trichterförmig vor dem Mund, „Und nun erteilen wir das Wort...“
    „Aufhörn“, grölte ein Besoffener.
    „...erteilen wir das Wort... Chrysis.“
    „Aus dem Müll?“ fragte jemand.
    „Aus der Scheiße“, antwortete ein anderer von der Theke. Allgemeines Gelächter.
    „Ganz einfach Chrysis, verdammt nochmal!“ schrie der Ansager. „Am Klimperkasten begleitet von Radau-Ted Michelson, dem bekannten Komponisten der Kaputten Sinfonie.“
    Der Pianist verschaffte sich Gehör, indem er ein paar Akkorde anschlug, die einem die Schuhe auszogen. Eine abenteuerliche Art angewandter Musikwissenschaft!
    „Unsere Chrysis singt für uns: Ich schaffe heimlich an oder Klagelied einer Freischaffenden .“
    „Aufhörn!“ grölte der Besoffene wieder. Ganz-einfach-Chrysis-verdammt-nochmal entpuppte sich als eine hinreißende vollbusige Rothaarige. Tausend eifrige Hände bemühten sich, sie auf den Tisch zu heben, auf dem eben noch der Dampfbad-Kellner gestanden hatte. Wie durch ein Wunder schwebte ein Mikrofon von der Decke. Die Sängerin packte es mit dem Mut der Verzweifelten und begann mit rauchiger Stimme:

    Plaignez Nana la clandestine,
    la tapineuse en tapinois
    qui fait des mines de minois
    aux chrétiens de la rue Christine.
    Je me débats dans la débine,
    l’âme passée au brou de noix.
    Pas de galette au galetas.
    Plaignez Nana la clandestine,
    la tapineuse en tapinois...

    Folgten noch weitere sechs Strophen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher