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Nirgendwo in Afrika

Titel: Nirgendwo in Afrika
Autoren: Stefanie Zweig
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sagte: »Der ist für dich.«
    »Du schenkst mir deinen Mantel, Bwana?«
    »Das ist kein Mantel, das ist eine Robe. Ein Mann wie du muß eine Robe tragen.«
    Owuor probierte das fremde Wort sofort aus. Weil es weder aus der Sprache der Jaluo stammte noch Suaheli war, machte es ihm große Schwierigkeiten im Mund und in der Kehle. Die Memsahib und das Kind lachten. Auch Rummler öffnete sein Maul, aber der Bwana, der seine Augen auf eine Safari geschickt hatte, stand da wie ein Baum, der nicht hoch genug gewachsen ist, um seine Krone mit der Kühle des Windes zu tränken.
    »Robe«, sagte der Bwana, »du mußt es oft sagen. Dann kannst du es so gut wie ich.«
    Sieben Nächte lang zog Owuor, wenn er nach der Arbeit zu den Männern in den Hütten ging, hinter einem Busch den schwarzen Mantel an, der sich im Wind so gewaltig aufblähte, daß Kinder, Hunde und auch die alten Männer, die nicht mehr gut sehen konnten, wie verängstigte Vögel kreischten. Sobald der Stoff, der in der Sonne schwarzes Licht gab und selbst bei Mondlicht dunkler war als die Nacht, Hals und Schultern berührte, bemühten sich Owuors Zähne um das fremde Wort. Für Owuor waren Mantel und Wort ein Zauber, von dem er wußte, daß er mit seinem Kampf gegen die Heuschrecken zu tun hatte. Als die Sonne zum achtenmal aufging, wurde das Wort endlich so weich in seinem Mund wie ein kleiner Bissen Poscho. Es war gut, daß er nun dem Drang nachgeben durfte, mehr über den Mantel zu erfahren.
    Bis es Zeit war, das Feuer in der Küche zu wecken, ließ sich Owuor vom Wissen satt machen, daß sein Bwana, die Memsa-hib und das Toto ihn seit einiger Zeit ebensogut verstanden wie Menschen, die keine Angst vor Heuschrecken und großen Ameisen hatten. Eine Weile ließ er noch die Frage wachsen, die seinen Kopf nun schon so lange unruhig machte, aber die Neugierde fraß an seiner Geduld, und er ging den Bwana suchen.
    Walter stand am Blechtank und klopfte die Rillen ab, um zu hören, wie lange das Trinkwasser noch reichen würde, als Owuor frage: »Wann hast du die Robe getragen?«
    »Owuor, das war meine Robe, als ich noch kein Bwana war. Ich trug die Robe zur Arbeit.«
    »Robe«, wiederholte Owuor und freute sich, weil der Bwana endlich begriffen hatte, daß gute Worte zweimal gesagt werden mußten. »Kann ein Mann in der Robe arbeiten?«
    »Ja, Owuor, ja. Aber in Rongai kann ich nicht in meiner Robe arbeiten.«
    »Hast du mit deinen Armen gearbeitet, als du noch kein Bwana warst?«
    »Nein, mit dem Mund. Für eine Robe muß man klug sein. In Rongai bist du klug. Nicht ich.«
    Erst in der Küche wurde Owuor klar, weshalb der Bwana so anders war als die weißen Männer, für die er bis dahin gearbeitet hatte. Sein neuer Bwana sagte Worte, die einen Mund beim Zauber des Wiederholens trocken machten, die aber im Ohr und Kopf blieben.
    Es dauerte genau acht Tage, bis die Kunde von den besiegten  Heuschrecken in Sabbatia ankam und Süßkind nach Rongai trieb, obwohl bei den Kühen auf seiner Farm die ersten Fälle von Ostküstenfieber ausgebrochen waren.
    »Mensch«, rief er noch aus dem Auto heraus, »aus dir wird noch ein Farmer. Wie hast du das bloß fertiggebracht? Mir ist das mein Lebtag nicht gelungen. Nach der letzten Regenzeit haben die Biester die halbe Farm leergefressen.«
    Es wurde ein Abend voller Harmonie und Heiterkeit. Jettel trennte sich von den letzten Kartoffeln, die sie für eine besondere Gelegenheit aufbewahrt hatte, und brachte Owuor bei, schlesisches Himmelreich zu kochen und erzählte ihm von den getrockneten Birnen, die sie ihrer Mutter immer in dem kleinen Laden an der Goethestraße geholt hatte. Wehmütig, aber doch fröhlich zog sie den weißen Rock mit der rot-blau gestreiften Bluse an, die sie seit Breslau nicht mehr herausgeholt hatte, und durfte sich bald an Süßkinds Bewunderung berauschen.
    »Ohne dich«, sagte er, »wüßte ich gar nicht mehr, wie schön eine Frau sein kann. Hinter dir müssen ja alle Männer von Breslau hergewesen sein.«
    »So war es«, bestätigte Walter, und Jettel genoß es, daß seine Eifersucht nichts von ihrem früheren Ernst verloren hatte.
    Regina mußte nicht ins Bett. Sie durfte vor dem Feuer schlafen und stellte sich vor, sobald sie von den Stimmen wach wurde, der Kamin wäre der Menengai und die schwarze Asche nach einem Buschfeuer Schokolade. Sie lernte einige neue Worte für die geheime Kiste in ihrem Kopf. Das Wort Reichsfluchtsteuer gefiel ihr am besten, obwohl es die meiste Mühe beim Merken
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