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Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Zweiter Teil

Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Zweiter Teil

Titel: Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Zweiter Teil
Autoren: Selma Lagerloef
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hinabströmte. Der Junge fand das, was er sah,
     so schön, daß er ganz außer sich geriet und nahe daran war zu vergessen, daß er zwischen zwei Bärentatzen gefangen saß.
    Der Bärenvater ließ den Jungen auch in das Walzwerk hineingucken. Ein Arbeiter war gerade dabei, ein kurzes und dickes Stück
     Eisen aus einem Ofen zu nehmen und es unter eine Walze zu legen. Als das Eisen wieder aus der Walze herauskam, war es lang
     und zusammengedrückt. Sogleich ergriff ein anderer Arbeiter es und legte es unter eine härtere Walze, die es noch länger und
     dünner machte. So ging es von Walze zu Walze, wurde gereckt und gestreckt und schlängelte sich schließlich als viele Ellen
     langer, rotglühender Faden am Fußboden entlang. Aber während das erste Stück Eisen gepreßt wurde, nahmen sie ein neues aus
     dem Ofen und legten es unter die Walzen, und wenn es ein wenig in Bewegung gekommen war, holten sie ein drittes. Unablässig
     schlängeltensich neue, rote Fäden gleich zischenden Schlangen am Boden entlang. Der Junge fand, daß es schön war, das Eisen zu sehen,
     noch schöner aber, die Arbeiter zu beobachten, die leicht und behende die glühenden Schlangen mit ihren Zangen packten und
     sie unter die Walzen zwangen. Es war für sie gleichsam ein Spiel, das siedende Eisen zu handhaben. »Das muß ich sagen, dies
     ist eine Arbeit für Männer,« dachte der Knabe.
    Der Bär ließ ihn auch in den Schmelzofen hineinsehen und in die Stangeneisenschmiede, und der Junge staunte mehr und mehr,
     als er sah, wie die Schmiede Feuer und Glut handhabten. »Die Leute sind nicht bange vor Feuer und Hitze,« dachte er. Rußig
     und schwarz waren sie auch. Dem Jungen erschienen sie wie eine Art Feuermenschen, so wie sie das Eisen nach Belieben zu biegen
     und formen vermochten. Er konnte sich nicht denken, daß gewöhnliche Menschen eine solche Macht haben konnten.
    »So arbeiten sie hier Tag für Tag und Nacht für Nacht,« sagte der Bärenvater und legte sich auf die Erde nieder. »Du kannst
     wohl begreifen, daß das nicht zum Aushalten ist. Ein Glück, daß ich dem Treiben jetzt ein Ende machen kann.«
    »Könnt Ihr das?« fragte der Junge. »Wie wollt Ihr das nur machen?«
    »Ich habe mir gedacht, daß du die Gebäude hier anstecken sollst,« sagte der Bärenvater. »Auf die Weise würde ich den ewigen
     Spektakel los werden und könnte in meiner Heimat wohnen bleiben.«
    Dem Jungen lief es kalt wie Eis über den ganzen Körper. Darum also hatte der Bärenvater ihn hierhergebracht!»Wenn du das Bullerwerk ansteckst, verspreche ich dir, daß du dein Leben behalten sollst,« sagte der Bärenvater. »Tust du
     aber nicht, was ich will, so wird es bald mit dir aus sein.«
    Die großen Werkstätten hatten starke Mauern, und der Junge dachte, der Bärenvater kann soviel befehlen, wie er wollte, es
     war ja ganz unmöglich, ihm zu gehorchen. Gleich darauf aber sah er, daß es am Ende doch nicht so ganz unmöglich sein würde.
     Dicht neben ihm lag ein Haufen Stroh und Hobelspäne, den er leicht anstecken konnte, neben den Spänen befand sich ein Bretterstapel,
     und der Bretterstapel stieß an den großen Kohlenschuppen. Der Kohlenschuppen aber ging ganz bis an die Werkstätten heran,
     und wenn der zu brennen anfing, würde das Feuer bald auf das Dach des Eisenwerks hinüberspringen. Das Feuer würde alles ergreifen,
     was es an Brennbarem gab. Die Mauern würden vor Hitze bersten und die Maschinen würden zerstört werden.
    »Nun, willst du, oder willst du nicht?« fragte der Bärenvater.
    Der Junge wußte recht gut, daß er gleich antworten müsse, er wolle nicht, aber er wußte auch, daß die Bärentatzen, die ihn
     umklammert hielten, ihn mit einer einzigen Bewegung totdrücken würden. So sagte er denn: »Ich bitte um Erlaubnis, mich einen
     Augenblick zu besinnen.«
    »Nun ja, meinetwegen,« sagte der Bärenvater. »Aber ich will dir auch sagen, daß gerade das Eisen den Menschen eine solche
     Übermacht über uns Bären gegeben hat, daß ich auch aus dem Grunde der Arbeit hier ein Ende machen möchte.«
    Der Junge dachte, er wolle die Bedenkzeit dazu benutzen, um auf irgendeine Weise zu entkommen, aber er war so bange, daß
     er seine Gedanken nicht zu zwingen vermochte, den Weg zu gehen, den er wollte, statt dessen mußte er daran denken, welch eine
     gute Hilfe das Eisen für die Menschen war. Sie brauchten Eisen zu allem. Eisen war in dem Pflug, der die Furchen auf dem Felde
     zog, in der Axt, die das Holz schlug, in
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