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Nicht warten - starten

Nicht warten - starten

Titel: Nicht warten - starten
Autoren: Michael V. Pantalon
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gesagt als getan, insbesondere wenn man von fünfzig skeptischen Leuten angestarrt wird. Aber ich vertraute auf meinen Ansatz und nahm die Herausforderung an.
    »Guten Tag«, sagte ich so ruhig ich konnte, »ich weiß, dass keiner von Ihnen heute wirklich freiwillig hier ist. Und vielleicht haben Sie keine sonderlich große Lust darauf, sich einen Vortrag über irgendeine neue ›fantastische‹ Methode anzuhören, die sich irgend so ein elitärer Eierkopf ausgedacht hat.« Damit zeigte ich ihnen nicht nur, dass ich ihre Ablehnung ernst nahm, sondern ich tat auch etwas, das in der Motivationsforschung als »den Überbringer anschwärzen« bezeichnet wird. Beides sind wichtige Techniken zur Stärkung des Autonomiegefühls der Zielpersonen.
    Wie erhofft, erntete ich mit meiner Selbsterniedrigung ein paar Lacher, und ein paar meiner Zuhörer warfen sich überraschte Blicke zu. Dass ich ihre Sichtweise offen ansprach, statt zu versuchen, sie von meiner zu überzeugen, war das Letzte, was sie erwartet hatten.
    »Also«, fuhr ich fort, »warum sind Sie hier?«
    Die ansatzweise positive Stimmung war auf einen Schlag wieder dahin.
    »Wir sind hier, weil wir hier sein
müssen«,
antwortete eine Frau, wobei sie jedes Wort übertrieben deutlich betonte.
    »Wirklich? Das heißt, alle Personalmanager sind hier? Ohne Ausnahme?«
    Damit erntete ich erneut ein paar Lacher. »Na ja, Frank ist nicht hier«, sagte ein Mann. »Er findet immer einen Weg, sich zu drücken. Was war es dieses Mal   – ein Zahnarzttermin?«
    »Nun«, sagte ich, »damit wäre Folgendes klar: Sie hätten sich wie Frank um dieses Meeting herumdrücken können, aber das haben Sie nicht. Also sagen Sie mir: Warum sind Sie hier?«
    Ich hatte gerade Schritt 1 angewendet: Warum könnten Sie sich ändern wollen? (Oder, in diesem Fall: Warum haben Sie sich geändert?) Widerwillig fingen die Manager an, mir zu antworten. »Weil uns dieses Unternehmen wichtig ist und wir unsere Arbeit gut machen wollen«, sagten sie zum Beispiel, oder: »Meine Chefin hat mich darum gebeten und ich wollte nicht unkooperativ erscheinen.«
    Die Antworten waren nicht schlecht, aber immer noch viel zu vage, um tatsächlich etwas zu bewirken. Wenn ich wollte, dass diese Leute ihre Haltung änderten, mussten sie persönlichere Gründe dafür finden.
    »Okay«, sagte ich. Es war an der Zeit für Schritt 2: Wie groß ist Ihre Bereitschaft, sich zu ändern   – auf einer Skala von 1 bis 10? Wie immer passte ich meine Ausdrucksweise den Menschen, vor denen ich sprach, und der konkreten Umgebung an und formulierte es weniger akademisch: »Wie sehr sind Sie   – auf einer Skala von 1 bis 10   – bereit, sich meine heutige Präsentation anzuhören? Die Zahl 1 bedeutet dabei ›überhaupt nicht bereit‹ und 10 bedeutet ›vollkommen bereit‹.«
    Die Manager schauten einander an und verdrehten die Augen. »Ich würde vielleicht eine 3 nehmen«, meinte eine Frau schließlich. Im Raum war zustimmendes Gemurmel zu hören.
    »Großartig«, sagte ich und ging weiter zu Schritt 3: Warum haben Sie keine kleinere Zahl genommen? »Sie haben eine 3 gewählt. Warum haben Sie keine kleinere Zahl genommen?« Mit anderen Worten, warum hatte die Frau sich nicht als
noch weniger
motiviert beschrieben? Warum hatte sie 3 und nicht 2 oder gar 1 gesagt?
    Diese Frage sorgt jedes Mal für Verblüffung. Die Leute erwarten von mir, dass ich sie frage, warum sie keine höhere Zahl genannthaben. Warum sie also nicht
mehr
motiviert sind. Warum sie keinen stärkeren Wunsch haben, das zu tun, was sie meiner Meinung nach tun sollten.
    Aber genau das hatte ich nicht gefragt. Ich hatte sie gefragt, warum ihre Motivation so groß war wie angegeben. Warum waren sie bereit, sich meine Präsentation anzuhören? Warum waren sie hier?
    Es dauerte eine Weile, aber schließlich bekam ich eine Antwort. »Der Grund ist folgender«, sagte ein Mann. »Obwohl ich wirklich von der Art und Weise überzeugt bin, wie wir hier arbeiten, und obwohl ich persönlich an der Weiterentwicklung unserer gegenwärtigen Abläufe beteiligt war   – und obwohl ich
weiß,
dass sie funktionieren   –, gibt es trotz alledem ein paar Mitarbeiter, mit denen wir einfach nicht zurechtkommen. Vielleicht funktioniert Ihr Ansatz ja bei, sagen wir einem davon. Deswegen bin ich hier.«
    Hier und da nickten zwar ein paar Leute und es gab einige weitere Zeichen der Zustimmung, aber ich hatte immer noch nicht das Gefühl, die Zuhörer überzeugt zu haben. Man kann
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