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Nicht menschlich Inc.

Nicht menschlich Inc.

Titel: Nicht menschlich Inc.
Autoren: Stephanie Linnhe
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beeinträchtigt wurde, als ich zusammenfuhr, weil vor mir ein dunkler Schatten auftauchte. Ein Weinregal, wie ich feststellte. Wir waren am Fuß der Treppe angelangt und standen in einem gut bestückten Weinkeller, der vor Sauberkeit nur so blitzte. Kein Staubkorn, nicht mal der Geruch nach Staub selbst, lag in der Luft.
    Rory schritt an den Flaschen vorbei und war mit einem Mal verschwunden. Auf Staceys Nicken hin folgten wir ihm, bogen um eine Ecke und standen am Anfang eines langen Ganges.
    »Wohin gehen wir? Zu einer Folterkammer?«, flüsterte ich Desmond zu, doch ich hatte nicht mit dem Echo gerechnet. Gehässig warf es meine Worte, um ein Vielfaches verstärkt, zurück.
    Rorys buschige Augenbrauen hoben sich, doch es war Stacey, die mir antwortete. »Dieser Gang führt zum alten Teil des Kellers, wo jene Zellen liegen, die noch immer für Gefangene genutzt werden.«
    Ich beeilte mich, zu nicken. Gefangene, natürlich.
    »Sollte eure Kollegin wirklich von meinen Söhnen entführt worden sein«, dröhnte plötzlich Rorys Stimme, »finden wir sie hier.«
    Zunächst versank ich bei dieser Vorstellung in Schrecken und Mitleid, doch als Rory einen Schalter umlegte und Deckenlicht aufflammte, merkte ich, dass der Keller als Souterrainwohnung durchgehen konnte. Zwar war der Gang nicht mit Teppich ausgestattet, aber er war breit und sauber und roch angenehm. Die in regelmäßigen Abständen angebrachten Lampen sahen teurer aus als meine gesamte Zimmereinrichtung. Im Grunde ganz hübsch. Nun war ich auf die Zellen gespannt und vor allem darauf, ob Rory mit seiner Vermutung recht behielt. Ich rief mir Kirstens Gesicht ins Gedächtnis – der entschlossene Mund, der strenge Blick – und wappnete mich für die mir bevorstehende Identifizierung. Immerhin war dies Teil meines Jobs.
    Ich sah mich aufmerksam um, während ich an Desmonds Seite den Gang entlangschritt. Nach einer Weile tauchten zu beiden Seiten Türen in kolonialer Holzoptik und mit antiken, jedoch blitzsauberen Riegeln auf. Sie alle waren angelehnt oder unverschlossen. Lediglich am Ende des Ganges war ein Riegel vorgeschoben und eingehakt worden.
    Rory blieb vor dieser Tür stehen und legte seine enorme Hand auf das Metall. Ein Ruck, kein Quietschen, und schon glitt die Tür nach innen auf.
    Der Oberste der Unterteufel blieb, wo er war. Vielleicht erinnerte er sich an meinen Trick mit der Holzlatte. Stacey hob eine Hand und winkte mich zu sich heran. Neugierig trat ich auf die Tür zu. Warmer Lichtschein drang aus dem Zimmer dahinter. Es besaß keine Fenster, war aber wohnlich ausgestattet. Auf den ersten Blick entdeckte ich eine Holztruhe, einen Tisch mit vier Stühlen – wer benötigte in seiner Gefangenschaft ein gesamtes Stuhlset? – sowie einen schmalen Schrank und ein gerahmtes Gemälde an der Wand. Hübsch. Ich wollte mehr sehen. Vorsichtig legte ich eine Hand auf die Tür, um sie weiter aufzudrücken, als eine Furie mit vor Wut blitzenden Augen vor mir auftauchte. Sie war ebenso groß wie ich, aber wegen der Schnelligkeit, mit der sie sich bewegte, speicherte ich sie unter Gefahr ab.
    »Habt ihr euch endlich entschieden, was ihr mit mir vorhabt, ja?«, fauchte sie mich an.
    Ich hob beide Arme, um mein Gesicht zu schützen. Als es um mich herum still blieb, senkte ich sie wieder und starrte in ein entschlossenes, von dunklem Haar gerahmtes Gesicht. Kleine Augen waren zusammengekniffen, Lippen zu einem Strich verzogen. Ein Kettenanhänger in Form eines Gänsekopfes mit blauem Strohhut baumelte rhythmisch vor der Brust der Frau. Vor mir stand Kirsten Herms.
    »Ah, Desmond, Stacey«, schnarrte die Teamleiterin der Telefonisten und klang weder erleichtert noch besonders verängstigt.
    Ich sandte eine stumme Entschuldigung an alle Telefonisten bei ABM, denen ich vom Regen in die Traufe geholfen hatte.
    »Und wer bist du?«, wandte sich Kirsten an mich.
    Meine Hand schoss nach vorn. »Mein Name ist Nala di Lorenzo. Ich habe deinen Krankenschein untersucht.«
    »Ah!« Sie musterte mich von oben bis unten. »Ein wenig langsam, aber trotzdem erfolgreich.« Sie sah Stacey an. »Da lässt sich was draus machen.«
    Während ich betreten schwieg, schien Kirsten zum ersten Mal Rory wahrzunehmen. »Ich vermute, dass ich gehen kann?«
    Er gab ihr mit einem Handwedeln seine Erlaubnis. Kirsten schoss an uns vorbei auf den Gang und drehte sich nicht mehr um. Ohne ein weiteres Wort machte sich unsere kleine Gruppe ebenfalls auf den Weg. Stacey holte zu Kirsten auf.
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