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Nicht ganz sauber

Nicht ganz sauber

Titel: Nicht ganz sauber
Autoren: Justyna Polanska
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höchstens ein paar Minuten dauern, auf die Bühne geholt wurde, kam mir die Zeit, die ich dort alleine auf meinen Auftritt wartete, wie eine Ewigkeit vor. Ich konnte keinen klaren Gedanken fassen. Meine Haare juckten unter der Perücke, und am liebsten hätte ich mir dieses verfluchte Ding mit einem Ruck vom Kopf gezogen und in die Ecke geworfen, genau wie die viel zu warmen Wollstrümpfe und den an Körperverletzung grenzenden Rock, den man mir verpasst hatte. Mir war schrecklich heiß.
     
    Aber egal, nun war es ohnehin zu spät, die Flucht zu ergreifen. Ich war für einen Augenblick vollkommen der Realität entrückt, bis die erste Hälfte des Moderatoren-Teams, die in der Werbepause wahrscheinlich beim Pinkeln oder Nachpudern war, sich endlich zu mir gesellte. Eine schöne, elegante Frau meines Alters. Ihr Erscheinen beruhigte mich. Ich hatte nämlich kurzzeitig ernsthaft gedacht, ich müsste meinen Auftritt selber moderieren und mich alleine der Öffentlichkeit vorstellen.
     
    »Guten Morgen, Justyna, ich bin Edita. Wie geht es Ihnen?«
     
    »Danke, es geht schon. Ich bin ein bisschen aufgeregt.«
     
    »Das ist ganz normal. Machen Sie sich keine Sorgen, wir werden Ihnen lediglich ein paar Fragen stellen zu Ihrer Arbeit und Ihrem Buch.«
     
    Ja, sie hatte in der Tat etwas Beruhigendes an sich. Bis zu ihrem nächsten Satz.
     
    Lachend fügte sie an:
    »Sie sind also diejenige, die den Dritten Weltkrieg auslösen will …«.
     
    Nun war ich völlig verunsichert. Ging die Moderatorin davon aus, dass die Zuschauer mich für eine Verräterin halten würden, weil ich als junge Frau nach Deutschland gegangen war, um dort mein Glück zu versuchen, und damit Polen im Stich gelassen hatte? Dachte Edita, die polnischen Zuschauer würden es mir übelnehmen, dass ich in meinem Buch geschrieben hatte, in Polen gäbe es keine Perspektive (zumindest damals, bevor ich nach Deutschland auswanderte)? Dass man es als junger Mensch zu nichts bringen würde?
    Hatte ich denn wirklich mein Heimatland verraten?
     
    Auch wenn die Bemerkung von Edita nur als Scherz gemeint war, hatte sie ihre entsprechende Wirkung bei mir jedoch nicht verfehlt. In diesem Moment hätte ich mich übergeben können.
     
    Aber was soll’s, Justyna. Reiß dich zusammen. Das hier ist nicht schlimmer, als um acht Uhr morgens auf nüchternen Magen Katzenklos auszuleeren oder die Toiletten deiner Kunden zu schrubben.
     
    Und ich behielt recht. Sobald sich der männliche Part des Moderatoren-Duos zu uns gesellte, ein sehr sympathischer Mann mit unglaublich weißen Zähnen und extrem gepflegten Händen, ging es auch schon los mit dem Interview. Wir waren nun live auf Sendung, und von da ab gab es keine Zeit mehr für Selbstmitleid oder nackte Angst.
     
    Und so nahm die Sendung ihren Lauf …

Hass – die Erste
    B is heute habe ich mir meinen ersten Fernsehauftritt, und das auch noch in meinem Heimatland Polen, nicht angeschaut. Ich werde es wahrscheinlich auch nie tun. Ich kann mich auch nur noch an einzelne Fragmente erinnern. Ich selber habe diese Minuten wie in Trance erlebt.
     
    Doch so schlecht war es anscheinend nicht. Ich hatte sogar den ein oder anderen Witz gemacht. Ich kam sympathisch rüber. Das zumindest wurde mir von meinem Vater erzählt. Er lebt nach wie vor in Polen und hatte sich an diesem Tag extra den Vormittag freigenommen, um seine Tochter im Fernsehen zu erleben. Unmittelbar nach meinem Auftritt schickte er mir eine SMS.
     
    »Gut gemacht, alte Dame …«
     
    Die Leute im Studio hatten es mir aber auch leichtgemacht. Die Moderatoren waren sehr nett zu mir, behandelten mich äußerst respektvoll. Sie wollten mir keine Fallen stellen oder mich vorführen.
     
    »Was findet man denn unter deutschen Betten?«
     
    An diese Frage erinnere ich mich noch. Es war die Eröffnung unseres Gesprächs. Und ich war perplex und stammelte vor mich hin. Dann aber fing ich mich schnell, und es entwickelte sich eine nette Unterhaltung.
    Meine Antwort auf die Frage lautete:
     
    »Unter deutschen Betten findet man viel Gutes, einiges Schlechtes und ab und zu auch Erschreckendes. Auf jeden Fall genug, um darüber ein Buch zu schreiben …«
     
    Die beiden waren, so schien es mir zumindest, allen Ernstes an mir und meinem Leben interessiert. Das war etwas Neues für mich. Ich habe so viele Male in den letzten Jahren das Gefühl vermittelt bekommen, ich sei nicht mehr als eine Reinigungskraft. Nicht dass das etwas Schlechtes ist, aber manchmal
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