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Nicht ganz sauber

Nicht ganz sauber

Titel: Nicht ganz sauber
Autoren: Justyna Polanska
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wünsche ich mir auch so sehr Anerkennung für die Person, die ich bin. Und eben nicht nur für meine Fähigkeiten, Hemden zu bügeln, oder die Tatsache, dass ich »gute Brüste« habe oder einen »strammen Hintern«. Diese Dinge höre ich öfter. Öfter, als mir lieb ist.
     
    Es bedeutet mir sehr viel, dass fremde Menschen sich auf einmal für mich interessieren und mir zuhören.
     
    Dennoch war ich nach der Sendung froh, als ich endlich wieder ich selber war. Die graue alte Maus mit der schrecklichen Perücke war Vergangenheit. Und ich wieder ich. Als der Wagen vor meinem Hotel vorfuhr, fühlte ich mich leichter und jünger als in der ganzen Zeit vor meinem ersten TV-Auftritt. Nun wollte ich nur noch kurz meine Koffer abholen und zum Flughafen fahren.
    Als ich zur Rezeption kam, sah der nette Mann vom Empfang mich nervös blinzelnd an.
     
    »Hallo, ich wollte nur noch kurz meinen Koffer holen.«
     
    »Gut, dass Sie erst jetzt wiederkommen.«
     
    »Wieso? Ist etwas passiert?«
     
    »Na ja, nein. Es ist nichts passiert, Gott sei Dank. Aber seltsam war es schon …«
     
    Nun war ich ein erneutes Mal in Alarmbereitschaft.
     
    »Wissen Sie, vor circa einer halben Stunde kam ein Mann in die Lobby reingestürmt und verlangte, Sie zu sehen.«
     
    Ein Mann? Wer? Und woher wusste er, dass ich hier in diesem Hotel wohne?
     
    »Was wollte er von mir?«
     
    »Anscheinend waren Sie vorhin im Fernsehen. Er sagte, er hätte Sie heute Morgen gesehen, und nun wolle er diese Schlampe von Putzfrau zur Rede stellen, diese Verbrecherin …«
     
    Mir wurde schwindlig. Ich spürte, wie das gesamte Blut aus meinem Kopf in meine Füße sackte.
     
    »Ich weiß leider nicht, worum genau es geht. Aber der Mann war sehr aufgebracht und hat hier rumgebrüllt. Er sagte, er würde nicht eher das Hotel verlassen, bis er wisse, wie Sie heißen und wie er Sie finden kann.«
     
    »Und haben Sie …«
     
    »Nein, natürlich nicht. Erinnern Sie sich, Sie haben ja nicht mal Ihren ganzen Namen angegeben, geschweige denn Ihre Anschrift.«
     
    Das stimmte.
    Als ich am Vortag im Hotel eincheckte, wollte die Kollegin am Empfang, dass ich ein Registrierungsformular ausfülle mit Namen, Adresse und meiner Unterschrift. Ich hatte mich standhaft geweigert und die Rezeptionistin gebeten, mit dem Sender zu telefonieren, die würden ihr alles erklären. Das tat sie dann auch, so konnte ich als Mrs. Justyna »X« absteigen. Eine große Ausnahme, wie ich nach dem Telefonat von ihr noch ungefähr zehnmal zu hören bekam.
     
    »Auf jeden Fall haben wir den Mann vor gut zehn Minuten von unserem Sicherheitspersonal aus dem Hotel eskortieren lassen. Er rief noch hinterher, dass er Sie finden und fertigmachen würde. Es tut mir sehr leid.«
     
    Meine gute Stimmung und die spürbare Erleichterung über den gemeisterten Auftritt schlugen in Bestürzung um. Bestürzung darüber, dass ich es geschafft hatte, jemanden durch meine Geschichte so gegen mich aufzubringen, ja regelrechten Hass zu verursachen. Mir war zum Heulen zumute.
     
    »Ich weiß ja nicht, wo Sie wohnen, Fräulein, oder warum Sie im Fernsehen waren, aber passen Sie in der nächsten Zeit lieber ein bisschen auf sich auf.«
     
    Ich musste wieder an Edita denken und ihre Bemerkung über mich und den Dritten Weltkrieg. Anscheinend gab es wirklich Polen, die mich nun für eine Verräterin hielten. Eine, die ins reiche Deutschland flüchtete, um dort schnelles Geld zu verdienen. Und das auch noch schwarz (früher zumindest).
     
    Die Fürsorge des Mannes am Empfang jedoch rührte mich zu Tränen.
     
    »Vielen Dank für Ihre Hilfe.«
     
    Und mit gesenktem Haupt verließ ich mit meinem Rollkoffer in der Hand das Hotel.
     
    So ließ ich Polen hinter mir.
     
    Die gemischten Gefühle aber nahm ich mit nach Hause.

Ein schöner Tag
    I ch musste mich schnell von dem Schock nach meinem Interview im polnischen Fernsehen erholen. Denn erstens warteten von Montag bis Samstag meine sämtlichen Putzstellen auf mich, und zweitens verbrachte ich die frühen Morgen- und die Abendstunden damit, Interviews zu geben. Nur für Fernsehauftritte und -beiträge musste ich mit den Terminen bei meinen Kunden jonglieren. Den ein oder anderen verschieben oder gar ganz ausfallen lassen. Aber das waren nur seltene Ausnahmen, und irgendwie bekam ich auch das hin.
     
    Ingesamt war ich über zwanzigmal im deutschsprachigen Fernsehen. Öffentlich-rechtlichen Sendern, den großen privaten, fast allen deutschen TV-Stationen
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