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Nicholas Flamel Bd. 2 Der dunkle Magier

Nicholas Flamel Bd. 2 Der dunkle Magier

Titel: Nicholas Flamel Bd. 2 Der dunkle Magier
Autoren: Michael Scott
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Wünschen, Beobachtungen, Ängsten und Sehnsüchten, eine verwirrende Ansammlung bizarrer Szenen, erschreckender Bilder und unverständlicher Geräusche. Es war, als wären tausend Filme miteinander vermischt und zu einem einzigen zusammengeschnitten worden. Und mitten in diesem Wirrwarr aus Gedankenfetzen gab es Erinnerungen an zahllose Begebenheiten, bei denen die Hexe ihre ganz besondere Kraft, die Luftmagie, zum Einsatz gebracht hatte. Sophie brauchte nur ein Ereignis zu finden, bei dem die Hexe Nebel gewirkt hatte.
    Nur wann und wo und wie war dieses Ereignis zu finden?
    Sophie ignorierte Flamels an Machiavelli gerichtete Worte, blendete den sauren Geruch von Joshs Angst aus und das Klirren von Scathachs Schwertern und lenkte ihre Gedanken auf Nebel und Dunst.
    San Francisco war oft eingehüllt in Nebel und sie hatte die Golden-Gate-Brücke schon mehr als einmal aus dichten Wolkenbänken aufragen sehen. Und erst letzten Herbst, als sie mit Josh und ihren Eltern in der St. Paul’s Kathedrale in Boston gewesen war, hatten sie beim Verlassen der Kirche festgestellt, dass sich ein feuchter Nebel über den Park auf der anderen Seite der Tremont Street gelegt hatte und man kaum noch etwas erkennen konnte. Andere Erinnerungen stiegen auf: Nebel in Glasgow; feuchte Nebelschwaden in Wien; dichter, übel riechender gelber Nebel in London.
    Sophie runzelte die Stirn. Sie selbst war nie in Glasgow, Wien oder London gewesen. Aber die Hexe musste dort gewesen sein … Und folglich waren es die Erinnerungen der Hexe von Endor.
    Bilder, Gedanken und Erinnerungen überlagerten und veränderten sich wie Nebelschwaden vor ihrem geistigen Auge. Und dann war plötzlich alles klar. Sophie erinnerte sich deutlich, wie sie neben jemandem gestanden hatte, der in der steifen Art des 19. Jahrhunderts gekleidet war. Sie sah den Mann vor sich, die lange Nase, die hohe Stirn und die ins Graue übergehenden Locken. Er saß an einem hohen Pult, hatte einen dicken Stapel cremefarbenes Papier vor sich und tauchte eine Schreibfeder in ein volles Tintenglas. Es dauerte einen Augenblick, bis sie begriff, dass dies keine ihrer eigenen Erinnerungen war und auch keine Szene, die sie im Fernsehen oder in einem Film gesehen hatte. Sie erinnerte sich an etwas, das die Hexe von Endor gesehen und erlebt hatte. Als sie sich dem Mann zuwandte, um ihn genauer in Augenschein zu nehmen, wurden die Erinnerungen der Hexe in ihr Bewusstsein gespült: Bei dem Mann handelte es sich um einen berühmten englischen Schriftsteller, der gerade mit der Arbeit an einem neuen Buch begann. Der Schriftsteller schaute auf und lächelte sie an, dann bewegte er die Lippen, doch kein Ton war zu hören. Als sie sich über seine Schulter beugte, sah sie, wie er in einer elegant geschwungenen Schrift schrieb: Nebel überall. Nebel stromaufwärts … Nebel stromabwärts … Vor dem Arbeitszimmer des Schriftstellers waberte dichter, undurchdringlicher Nebel wie Rauch gegen die schmutzige Fensterscheibe und verhüllte die Umgebung wie eine dicht gewebte Decke.
    Und unter dem Hauptportal von Sacré-Cœur in Paris wurde die Luft kalt und feucht und es roch intensiv nach Vanille. Aus Sophies gespreizten Fingern tropfte es weiß. Die Rinnsale bildeten eine Pfütze zu ihren Füßen. Sie hatte die Augen geschlossen und sah, wie der Schriftsteller erneut die Feder in das Tinten fass tauchte und weiterschrieb: Nebel kriecht … Nebel liegt … Nebel senkt sich … Nebel dringt in die Augen und Kehlen … 1
    Dichte weiße Nebelschwaden lösten sich von Sophies Fingern und ergossen sich über die Steinplatten, schoben sich übereinander wie schwerer Rauch, flossen davon in sich schlängelnden Bändern und zarten Fäden, zwischen Flamels Beinen hindurch und die Treppe hinunter, wo sie immer mehr wurden, immer dichter und immer dunkler.
    Niccolò Machiavelli stand auf der Treppe, die hinaufführte zur Basilika Sacré-Cœur, und sah den Nebel die Stufen herunterfließen wie schmutzige Milch, sah, wie er immer dichter wurde und immer mehr, während er auf ihn zuwaberte, und er wusste bereits in diesem Augenblick, dass Flamel ihm wieder entwischen würde. Als der Nebel ihn erreichte, war er brusthoch, feucht und roch nach Vanille. Machiavelli atmete tief ein und nahm noch einen Geruch wahr: den von Magie.
    »Erstaunlich«, sagte er, doch der Nebel dämpfte seine Stimme,
1 Charles Dickens, Bleakhaus, zitiert nach der Übersetzung von Richard Zoozmann, Insel Verlag Ffm 1988
    verwischte den sorgfältig
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