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Nexus - Band 1

Nexus - Band 1

Titel: Nexus - Band 1
Autoren: Hans Enzberger
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Weise in sich zu lächeln, die Tom nicht deuten konnte - nur um von düsterer Ahnung begleitet mitanzusehen wie sie ihren Blick gleich darauf erneut verändert zu ihm hob. "…du … kannst mich nicht mehr retten. Leb wohl."

Erleichterung. Elektrisierende Impulsspuren seiner unter plötzlicher Entlastung von ihrer Pein befreiten Nervenwurzeln kollidierten mit dem Entsetzen, das Tom Parkers Bewusstsein im Angesicht der Geschehnisse wie ein Fallbeil spaltete, deren Ablauf das spärlich auftreffende Dämmerlicht in seinen geweiteten Pupillen trotzdem voller glasklarer Unwirklichkeit reflektierte.

"Falsch!"

Reflexartig, ohne die Verschwendung eines Gedankens oder im Geringsten auf seine Sicherheit zu achten schnellte Toms linker Arm nach unten, packte Katerinas Handgelenk im selben, einzelnen Takt seines wild pochenden Herzens in dem sich der letzte ihrer Finger anschickte, von irrationalem Todeswunsch geführt aus seiner verzweifelt immer fester zur Faust geballten Hand zu gleiten, stieß das grob-elastische Profil beider Kampfstiefel abwechselnd gegen Decke und Boden des Schachtes und griff gleichzeitig ein zweites Mal zu. Weicher Uniformstoff, gehüllt um den schlanken Unterarm einer Frau, spannte sich unter eiserner Umklammerung. Tom keuchte, stieß einen erhitzten Schwall verbrauchter Luft aus seiner Kehle und kämpfte zeitgleich gegen den allmächtigen Drang, seinen in unnatürlicher Pose verkeilten Körper unter der Myriade pochender Schmerzen, die ihn von allen Seiten her folterte, zu winden wie unter einer marodierenden Starkstromfessel.

"So leicht… ist es nicht… Soldat…" presste Tom unter zusammengebissenen Zähnen hervor, und sog so gut es ging einen scharfen Atemzug frischen Sauerstoffs in Richtung der Epizentren aus beißendem Höllenfeuer hinein, welche von den Muskeln seiner Arme und oberen Torsos übrig geblieben waren… zwang sie unter seinen Willen für eine letzte Eruption all ihrer Kraft. Denn selbst wenn er für jeden Zentimeter den er sie aus dieser Grube hob ein Stück seiner Arme aus ihren Sockeln herausreißen musste… niemand unter seinem Kommando würde einfach so sinnlos sterben. Vor langer Zeit hatte sich Tom selbst diesen Schwur geleistet… der obwohl unbedacht wie töricht, ihn in all den Jahren stets dazu veranlasst hatte, das Bestmögliche für seine Leute zu versuchen. Er hatte heute schon einmal versagt. Dies würde nicht wieder passieren… mit, oder gegen den Willen dieser sturen Närrin.

Doch Katerina Dressler wollte leben. Was immer es gewesen war, das so unvermittelt danach getrachtet hatte, den Wahn ihres bewussten Denkens in den gähnenden Schlund des Todes zu treiben - diesmal sollten sich die genetisch verankerten Urinstinkte ihrer Ahnen als mächtiger erweisen. Und obgleich sie hilflos an den Armen ihres Kameraden hing, entflammte in ihren Augen erneut die Unbeugsamkeit eines erstarkten Geistes.

Es musste nichts mehr gesagt werden. Tom hatte das Zeichen erkannt, festigte seinen Griff erneut und zerrte das an ihnen hängende Gewicht anschließend mit einem gewaltigen Schub seiner im engen Korsett aus Fleisch und Haut berstenden Muskeln zu sich hinauf… ein Stück, nur noch ein winziges Stück… betäubende Schwäche, die durch seine Extremitäten zuckte wie ein dumpfer Blitz - und schließlich der erste Arm seines Lieutenants, der an ihm vorbei nach oben an den dünnen Schulterstoff seines Uniformhemdes schoss, um sich mit ungeahnter Flexibilität und Schnelligkeit an ihm vorbei ein Stück weit in die gerade ausreichende, horizontal weiter verlaufende Enge des Schachtes zu ziehen. Tom warf sich zur Seite so gut es ging, packte mit zu bebenden Klauen verkrampften Fingern erneut zu um den sich mit sprunghafter Energie vorwärts windenden Leib seiner Kameradin vollends an ihm vorbei zu zerren… bis schließlich nur noch ein zitterndes Bündel langsam zur Ruhe kommender Knie, von engem Stoff bedeckter Schienbeine und sperriger Gefechtsstiefel weniger Zentimeter vor seiner schweißbedeckten Stirn davon zeugte, wie nahe sie dem Ende noch kurz zuvor gestanden hatten.

Stille. Tom wusste nicht, wie lange er ganz einfach dort gelegen hatte - nur den schweren Atemzügen seiner Kameradin lauschend wie seinen eigenen. Zu spüren wie die Hitze aus seinem Körper wich, das polternde Herz verstummte… bis nur noch das Meer pulsierender Schmerzen übrig blieb, das ihn daran erinnerte wie ohnmächtig und hilflos ein einfacher Mensch in Momenten wie diesem sein konnte.
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