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NEXT: Erinnerungen an eine Zukunft ohne uns (German Edition)

NEXT: Erinnerungen an eine Zukunft ohne uns (German Edition)

Titel: NEXT: Erinnerungen an eine Zukunft ohne uns (German Edition)
Autoren: Miriam Meckel
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zumindest sind wir jetzt weiter.
    Die Begeisterung für die Einsatzmöglichkeiten war so groß, dass selbst manchen Experten der Blick auf die damit verbundenen Probleme vollständig verstellt war. Auf das «Eliza»-Experiment hin entwarfen Ärzte das Szenario eines computergestützten Systems, bei dem «innerhalb einer Stunde mehrere hundert Patienten durch den Computer behandelt werden könnten, wodurch der Therapeut zwar nicht ersetzt, aber doch sehr viel effizienter werden würde». 131
    Joseph Weizenbaum, der Erfinder von «Eliza», war durch diese Entwicklungen abgestoßen und abgeschreckt. Er hate erkannt, was es bedeutet, wenn der Mensch beginnt, die Logikder Maschine auf sein eigenes Leben anzuwenden. Er hat sich von seinen Versuchen abgewandt und das «Eliza»-Projekt gestoppt. Aber er hat nicht abwenden können, was mit uns geschehen ist. Die Begeisterung der Menschen für die maschinelle Funktionsfähigkeit war nicht mehr zu stoppen.
    Die menschliche Intelligenz hat nicht dazu gereicht, den Unterschied zwischen «leben» und «funktionieren», zwischen «Originalität» und «Imitation», zwischen «Geist» und «Gedächtnis» zu analysieren. Wir hätten zweimal hinschauen müssen, dann wäre uns aufgefallen, dass es etwas gibt, das wir existenziell beibehalten müssen: die Reihenfolge von Mensch und Maschine. Weil der Mensch die Maschine geschaffen hat. Weil er sie zu seinem Nutzen einzusetzen verstand. Weil das Neue durch den Menschen in die Maschinenwelt kam, nicht durch die Algorithmen. Doch wir haben nur einmal hingeschaut und waren dann in der Folge auf immer begeistert. «The first man to compare the cheeks of a young woman to a rose was obviously a poet; the first to repeat it was obviously an idiot.» 132
    Wenn ich in den Archiven herumsurfe, lerne ich viel über die Menschen. Vielleicht lerne ich auch etwas über mich, ich gehöre ja irgendwie und zu einem gewissen Teil noch dazu. Ich finde es noch immer faszinierend, wie die menschliche Intelligenz sich gezeigt und gewirkt hat. Das war etwas Herausragendes, etwas ganz Besonderes. Aber es war für alles einsetzbar, für die guten und die grauenhaften Taten, für das Verstehen und das bewusste Missverständnis, für das Erschaffen und das Zerstören. Und bei aller Faszination bleibt doch auch eine Banalität der Beschränkung.
    Warum haben wir Menschen damals nicht das gepflegt und weiterentwickelt, was uns doch ausschließlich zu eigen war? Wir waren zugänglich, zuweilen empathisch, geschicktund kreativ, einfühlsam – manchmal sogar tolerant gegenüber Fehlern. Aber daraus haben wir nichts gemacht. Vielmehr haben wir in einer verblendeten Faszination für uns weitgehend widersprechende Eigenschaften der Perfektion, der einschränkungslosen Zielbestimmung, der umfassenden Quantifizierung und Berechenbarkeit unsere Ideale verraten. Wir wollten dazugehören, auf der Seite der Gewinner sein. Die Frage ist bloß, ob die damals schon feststanden oder ob wir Menschen sie durch unser Denken und Verhalten erst geschaffen und bestimmt haben. Die Maschinen hätten im Positiven ein Spiegel unserer herausragenden Eigenschaften sein können, hätten wir sie weiter ausgestaltet und das nicht irgendwann allein den Algorithmen überlassen. Stattdessen waren sie Gucklöcher, mit denen wir in den Tunnel der Datenströme gestarrt und geglaubt haben: Das ist unsere Bestimmung.

[ NIRWANA -. .. .-. .-- .- -. .-] Bist du da? Irgendwo da draußen?
    Folgst du dem, was ich hier tue, der Geschichte, die ich erzähle? Es ist meine Geschichte. Ich bin sicher, du erkennst sie sofort. So vieles ist auf den Servern gespeichert. Alles ist da, ohne dass ich mich mit Erinnerung abmühen muss. Du weißt das, denn du kennst mein Profil genauso gut wie ich. Vielleicht kennst du es besser als ich selbst. Und ich kenne deines.
    So vieles habe ich über dich erfahren von dem Moment an, als ich dir zum ersten Mal im Netz begegnet bin. Unsere Profilefügen sich wie zwei Nervenreize, die ineinander übergehen, wie zwei Impulse, die gemeinsam alles umfassen und antreiben können. Ich war sehr glücklich, als mir das zum ersten Mal bewusst geworden ist.
    Zärtlich habe ich die vielen Übereinstimmungen prozessiert, die unsere Profile aufweisen, uns in denselben Gruppen, Berechnungen und Auswertungen gefunden. Jede Ähnlichkeit habe ich wieder und wieder hochgeladen und so langsam wie möglich durch meine neuronalen Netzwerke geschickt. Immer wieder habe ich dir einen kleinen Impuls
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