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New York - MERIAN Portraet

Titel: New York - MERIAN Portraet
Autoren: Bettina Winterfeld
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in
Brooklyn
( ▶ A/B 6 / 7 ) über einen blassen, dünnen Jungen mit dunklen Locken, geschickten Fingern und Glasperlenketten um den Hals. Es ist Robert Mapplethorpe aus
Long Island
, Sohn eines ehemaligen Offiziers, mit dem er sich überworfen hat, weil er anstatt seine Grafikerausbildung zu beenden lieber mit LSD experimentiert und fantasievollen Schmuck bastelt. Die Begegnung ist flüchtig.
    In ihren ersten Wochen schlägt sich Patti Smith allein durch. Ohne Ausbildung, ohne einen Cent in der Tasche, klappert sie die Buchläden ab, um einen Job zu finden. Nachts schläft sie auf Parkbänken im
Central Park
( ▶ K 3 / 4 ) oder in Subway-Stationen. Angst hat sie keine, denn sie strahlt aus, dass es bei ihr nichts zu stehlen gibt.
    Im Rückblick schreibt sie: »Die Großstadt war eine echte Großstadt, unstet und sexuell. Ich wurde hierhin und dahin geschubst von kleinen Horden erhitzter junger Matrosen, die auf der Forty-Second Street, auf der sich Pornokinos, ordinäre Frauen, glitzernde Souvenirläden und Hot Dog-Stände aneinanderreihten, nach Action suchten. Ich lungerte in den Kinoräumen herum und spähte durch die Fenster in die großartige, ausladende Grant’s Bar, in der dicht gedrängt Männer in schwarzen Mänteln haufenweise frische Austern schlürften. Die Wolkenkratzer waren wunderschön. Sie wirkten gar nicht wie bloße Hüllen für Großkonzerne. Sie waren Monumente der arroganten, aber philanthropischen amerikanischen Gesinnung.«
    Die Pornokinos auf der
42 nd Street
sind heute verschwunden. Die Atmosphäre im
East Village
( ▶ E 6 ) dagegen, durch dessen Straßen und Parks Patti Smith stundenlang streift, hat sich kaum verändert. Sie schlendert über den
St. Mark’s Place
31 ( ▶ E 5 ) und staunt über die langhaarigen Jungen in gestreiften Schlaghosen und Uniformjacken und die Mädchen in Batikkleidern. Die Straßen sind tapeziert mit Flyern, Haschischschwaden würzen die Luft. Noch heute ist hier die Alternativszene zu Hause, mit Tattoo-, Piercing- und Esoterikläden und marokkanischen Billigrestaurants, in denen ergraute Hippies von ihren Trips nach Marrakesch schwärmen.
    BEGEGNUNG AUF DEM TOMPKINS SQUARE
    Zurück ins Jahr 1967 , als die Hippies noch jung und revolutionär sind und ihrem Protest gegen den Vietnamkrieg mit Musik und Marihuana Nachdruck verleihen. In einer Buchhandlung, in der Patti als Kassiererin arbeitet, trifft sie den Jungen aus
Brooklyn
( ▶ A/B 6 / 7 ) wieder. Sie verkauft ihm eine persische Halskette und bittet ihn spontan, die Kette niemandem außer ihr zu schenken. Er verspricht es. Erst beim dritten zufälligen Treffen im
Tompkins Square Park
37 ( ▶ E 6 ) , unter dessen Bäumen damals wie heute Gitarrenspieler ihre Akkorde üben, kommen Patti und Robert zusammen. Sie, notorisch hungrig und knapp bei Kasse, hat sich von einem Science Fiction-Autor zum Abendessen einladen lassen und sucht nun verzweifelt einen Vorwand, um den Mann loszuwerden. In diesem Moment läuft ihr der dünne, dunkelhaarige Junge aus
Brooklyn
wieder über den Weg. Sie erkennt ihn schon von weitem an seinem leicht o-beinigen Gang, stürzt ihm entgegen, zerrt ihn zu ihrem Date und gibt ihn als ihren Freund aus.
    Von diesem Tag an sind Patti Smith und Robert Mapplethorpe unzertrennlich. Die erste gemeinsame Nacht verbringen sie in Roberts WG in
Brooklyn
, in der sie sich an Pattis erstem New York-Tag begegnet sind. Robert zeigt ihr einige seiner Zeichnungen, sie erkennt in seiner sanften, fürsorglichen Art eine verwandte Seele. »Wir blätterten in Büchern über Dada und Surrealismus und ließen die Nacht in die Betrachtung von Michelangelos Sklaven versunken ausklingen. Wortlos sogen wir die Gedanken des anderen auf und schliefen bei Tagesanbruch eng umschlungen ein. Als wir aufwachten, begrüßte mich sein schiefes Lächeln und ich wusste, er war mein Ritter … Wir wichen einander nicht von der Seite, außer um zur Arbeit zu gehen. Es gab keine Absprachen; wir verstanden uns auch so.«
    Ihre erste Wohnung liegt in einem dreistöckigen Brownstone, einem jener typischen Backsteinhäuser, die noch heute die Straßen von
Brooklyn
säumen, sie kostet 80 Dollar Miete im Monat. Sie schrubben Schimmel und psychedelische Graffiti von den Wänden und räumten Spritzen aus dem Ofen. Ihre Möbel klauben sie sich aus dem Sperrmüll zusammen oder basteln sie selbst. Geduldig fädelt Robert Perlenvorhänge auf, baut Lampenschirme und verziert sie mit selbst entworfenen Mustern. Die Wände drapierte er
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