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New York - Love Story

New York - Love Story

Titel: New York - Love Story
Autoren: Katrin Lankers
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Flughafen
bringen will. Doch sie schiebt mich schon vor sich her zurück
in den Flur.
    »Gwyneth, Gwendolyn«, ruft sie. Und zu mir gewandt:
»Wo ist dein Gepäck?«
    Während ich in die Besenkammer laufe, um meinen Koffer
zu holen, sehe ich, dass Madeleine zum Zimmer der Zwillinge
geht.
    »Gwyneth, Gwendolyn, wir müssen jetzt fahren«, erklärt
sie ungeduldig und verschwindet im Kinderzimmer.
    Ich greife nach meinem Koffer und angele gleichzeitig
unter dem Bett mit dem Fuß nach meinen Chucks. Ein hellblauer
Schuh kommt zum Vorschein. Doch den zweiten kann
ich mit den Zehen nicht ertasten. Ich verrenke mich, um mit
dem Bein tiefer unters Bett zu gelangen, dabei verliere ich beinahe
das Gleichgewicht. Ich zerre den Koffer zur Seite, um
mich flach neben dem Bett auf den Boden legen zu können.
Aber darunter kann ich außer ein paar Wollmäusen nichts
entdecken.
Shit!
    »Wo steckt ihr denn?«, höre ich Madeleine rufen. Die Zwillinge
sind also auch verschwunden. Mich überkommt eine
unangenehme Ahnung. Schnell öffne ich meinen Rollkoffer
und krame meine Flip-Flops heraus. Der einzelne Turnschuh
wandert in den Koffer.
    Auf dem Flur begegne ich Madeleine wieder, die sich suchend
umblickt.
    »Gwyn, Gwen«, beginne ich nun auch zu rufen.
    Keine Antwort.
Shit! Shit! Shit!
    »Sie müssen doch hier irgendwo sein«, sagt Madeleine, aber
ich bin mir dieser Sache nicht so sicher. Immerhin habe ich
die fatale Neigung der Mädchen, sich einfach aus dem Staub
zu machen, bereits selbst kennengelernt.
    »Ich fürchte, sie sind weggelaufen«, erkläre ich Madeleine.
Beinahe hätte ich »wieder weggelaufen« gesagt, aber ich
konnte es mir zum Glück gerade noch verkneifen.
    »Aber …«, wendet meine Gastmutter unsicher ein. In diesem
Moment streckt David, angelockt von unserem Rufen,
den Kopf aus seinem Zimmer.
    »Was ist hier los?«, fragt er. Sein Blick streift mich kurz,
und augenblicklich beginnt mein Magen, Purzelbäume zu
schlagen. Doch Davids Augen wandern schon weiter zu seiner
Mutter.
    »Gwyneth und Gwendolyn sind verschwunden!«, erklärt
sie ihm.
    Genervt verdreht David seine schönen grauen Augen nach
oben. »Ich suche sie«, bietet er an.
    Wieder überrascht Madeleine mich, als sie bestimmt erklärt:
»Ich komme mit.«
    Auch David scheint verwundert zu sein, zuckt aber nur
mit den Schultern.
    Im Vorbeigehen legt Madeleine mir ihre Hand auf den
Arm.
    »Sorry, Nicole«, sagt sie. »Du musst wohl allein zum Flughafen
fahren. Der Wagen wartet vor dem Haus auf dich.«
    Damit folgt sie David, der schon aus dem Appartement
und in den wartenden Lift gestürmt ist. Er hat sich nicht einmal
von mir verabschiedet.

»Flight AZ 611 to Rome is now ready for boarding«,
schallt es durch die Lautsprecher.
    Shit!
Dank Mr MIB – Jesús – war ich so früh am Flughafen,
dass ich mich nach dem Check-in erst mal in ein Café gehockt
habe, anstatt direkt in den Boarding-Bereich zu gehen.
Mit meinem Skizzenblock wollte ich mir die Wartezeit vertreiben,
doch alles, was ich in den letzten zwei Stunden zu
Papier gebracht habe, waren zwei Augen – grau wie die Mine
des Bleistifts –, die mich unverwandt angestarrt haben. Und
darüber habe ich wohl vergessen, ab und zu mal auf die Uhr
zu schauen.
    »Bye-bye, New York«, murmele ich halblaut vor mich
hin, stopfe den Block in den Rucksack und eile, so schnell es
meine Flip-Flops zulassen, in Richtung Abflugbereich. Meine
Tränen scheine ich verbraucht zu haben, denn meine Augen
bleiben trocken. Durch meinen Kopf jedoch jagen mit jedem
meiner gehetzten Schritte die Erinnerungen an die vergangenen
Wochen.
    An Gwyn und Gwen muss ich denken, die um mich herumhüpfen
und mich hänseln, die sich in meine Arme schmiegen
und um ein Märchen betteln. Wie sie sich den Plätzchenteig
von den Fingern schlecken, bühnenreif zu Colin Bisams
Song tanzen und an meiner Hose hängen und mich nicht
gehen lassen wollen. Ich denke auch an Simon, von dem ich
geglaubt habe, er sei meine große Liebe, und in dem ich mich
maßlos getäuscht habe. An Madeleine erinnere ich mich, die
mir anfangs so große Angst eingejagt hat und die am Ende
so überraschend freundlich war. Und natürlich sind meine
Gedanken auch bei David. Er geht mir ständig durch den
Kopf und ich denke an seine Augen, seine fransigen Haare
und sein Lächeln. An unseren Tag im Central Park, unsere
Kutschfahrt, das Date auf den Stufen des Metropolitan Museums,
unseren Tanz auf dem Ball, die gemeinsame Arbeit in
der Obdachlosenunterkunft. An unseren
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