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nevermore

Titel: nevermore
Autoren: Heike
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davon, dir hinterherzulaufen«, sagte Gwen schließlich. »Und wenn du nichts unternimmst, dann werde ich dich nicht weiter decken. Diese beiden Polizisten sind gestern in der Schule gewesen. Wenn sie noch mal kommen und mich fragen, was passiert ist, dann werde ich ihnen alles erzählen, was ich gesehen habe.«
    Isobel glotzte ihre Freundin an. »Etwas unternehmen?«, wiederholte sie und schüttelte verständnislos den Kopf. »Hast ... hast du irgendeine Ahnung davon, was -«
    »Nein!«, fauchte Gwen. »Nein! Habe ich nicht. Ich habe keine Ahnung! Das Einzige, was ich weiß, ist, dass du anscheinend gerade dabei bist, aufzugeben.«
    Isobel blinzelte. Sie war sprachlos und tief verletzt von dem Vorwurf.
    Gwen starrte sie unerbittlich an. Ihre Augen blitzten. »Schau mich nicht so an. Ich habe dich an dem Abend dort mit Varen gesehen. Und ich weiß, dass du weißt, wo er ist.«
    Isobels Lippen öffneten sich zitternd. Sie wollte alles abstreiten. Aber es entsprach nun mal der Wahrheit: Sie wusste, wo Varen war. Es gab nur einfach keine Möglichkeit, ihn zu erreichen. Wie sollte sie denn Gwen erklären, dass es unmöglich war ihn zu retten, weil die Verbindung zwischen den beiden Welten zerstört worden war? Wie konnte sie denn erwarten, dass das jemand anderes verstand, wenn sie selbst kaum in der Lage war zu kapieren, was passiert war?
    Ein finsterer Blick verhärtete Gwens üblicherweise so sanfte Gesichtszüge und sie wandte sich von Isobel ab, um ihre eigene Spindkombination einzugeben. Sie öffnete die Metalltür, fasste hinein, nahm etwas aus dem obersten Fach und drückte es Isobel in die Hand.
    Ihr pinkfarbenes Handy.
    »Hier. Jetzt bist du dran.« Mit einer schnellen, ruckartigen Bewegung hängte Gwen sich ihre Handtasche um. »Wenn du dich wieder daran erinnerst, wie man das Teil benutzt, dann ... Ich habe meine Nummer ganz oben in deinem Adressbuch gespeichert. Ach, und hier«, fügte sie hinzu und zog Isobels Sporttasche aus ihrem Spind. Sie ließ sie zwischen sich und Isobel auf den Boden fallen, genau auf die verstreuten Blätter. »Mein Spind ist keine Abstellkammer.« Dann warf sie ihre Haare über die Schulter, ließ Isobel einfach stehen und stolzierte davon.
    Isobel starrte ihre zerknitterte Sporttasche an und frage sich, ob es überhaupt möglich war, sich noch leerer zu fühlen.
    Mechanisch kniete sie sich vor ihren Spind und begann mit langsamen, sorgfältigen Bewegungen, ihre Sachen aufzusammeln.
    Irgendetwas ließ sie plötzlich innehalten. Ihr Handy glitt ihr aus der Hand und polterte zu Boden, doch Isobel nahm kaum Notiz davon. Sie war zu sehr von dem Schwarz-Weiß-Foto abgelenkt, das sie zwischen den losen Blättern entdeckt hatte.
    Sie griff nach einer Ecke des Ausdrucks und zog ihn zwischen den anderen Papieren hervor. Ihre Augen glitten über die Seite. Aber das, was sie da sah, musste Einbildung sein - definitiv.
    Ganz oben stand in fett gedruckten Blocklettern Baltimore Sun . Es war der Artikel, den Mr Swanson ihr zusammen mit der Hausarbeit gegeben hatte. Isobel richtete den Blick auf das verschwommene, schwach belichtete Schwarz-Weiß-Bild in der Seitenmitte, das ihr ins Auge gestochen war. Mit gesenktem Kopf kniete ein Mann vor einem großen Grabstein. Nur mit Mühe konnte sie den Umriss eines in den Stein gemeißelten Raben ausmachen. Der Mann hingegen war deutlicher zu erkennen.
    Er trug einen dunklen Mantel und ein schwarzer Filzhut bedeckte seinen gesenkten Kopf. In der Hand hielt er einen Strauß Blumen, den er auf das Grab legte. Rosen? Ein weißer Schal verdeckte die untere Hälfte seines Gesichts.
    Isobel las die Bildunterschrift:
     
    Das einzige bekannte Foto des Poe-Toasters, 1990 für die Zeitschrift Life aufgenommen. Die mysteriöse Gestalt besucht Poes Grab in Baltimore in den frühen Morgenstunden des 19. Januar und gedenkt wie jedes Jahr mit Rosen, Cognac und einem Trinkspruch des Geburtstags des Dichters. Dieses Ritual wurde zum ersten Mal 1949 beobachtet und blieb über die Jahre hinweg bestehen, obwohl die Identität des Toasters bis heute ebenso ein Geheimnis ist wie jeglicher Hinweis darauf, wie er es schafft, auf den abgeschlossenen Friedhof zu gelangen.
     
    »Reynolds«, zischte Isobel und zerknüllte die Seite zwischen ihren Händen. Dann strich sie sie wieder glatt und starrte ungläubig auf das Bild von Reynolds, wie er da vor dem Grabstein kniete und Poe die Ehre erwies. Ganz offenkundig, für alle sichtbar, und für immer auf Film gebannt.
    Gwens hin und
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